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Brandenburg: Hörerlebnis in mittelalterlichen Mauern
Der preußische Baumeister Schinkel hat die Klosterruine Chorin berühmt gemacht, in der DDR entstand hier ein Konzert-Festival. Nun feiert der Choriner Musiksommer 50-jähriges Bestehen
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Chorin - Mächtige Backsteinpfeiler ragen in den Himmel – wie in einem Gemälde des Romantik-Künstlers Caspar David Friedrich. Über den Mauern der mittelalterlichen Klosterruine im brandenburgischen Chorin wölbt sich ein hohes Dach, die Holzbalkendecke im Innern gibt den Blick in den offenen Dachstuhl frei. Alljährlich im Sommer wird hier zu einem großen Konzertprogramm mit ganz eigenem Flair eingeladen: Ab Samstag feiert der Choriner Musiksommer sein 50. Jubiläum. Er wird um 15 Uhr mit einem Konzert des Brandenburgischen Staatsorchesters eröffnet.
Im Kirchenschiff des einstigen Zisterzienserklosters bei Eberswalde singen die Vögel mit den Geigen um die Wette, ab und zu flattert einer durch die gotischen Fensteröffnungen in die Halle. Die Konzertbesucher sitzen auf schlichten Bänken im Kirchenschiff und auf dem Rasen im Hof und lauschen der Musik. Auf der Bühne stehen hier bekannte Solisten, Chöre, Kammermusikensembles und Orchester aus der ganzen Welt.
Zu den Höhepunkten im Jubiläumsjahr zählen Konzerte mit dem Leipziger Thomanerchor, mit Ludwig Güttler und seinem Blechbläserensemble und mit dem Rundfunksinfonieorchester Berlin. Insgesamt stehen vom 22. Juni bis zum 1. September 19 Konzerte auf dem Programm.
Die Klosterruine von Chorin zählt zu den beliebtesten Ausflugszielen in Brandenburg. Auf schmalen Landstraßen führt der Weg durch die hügelige Landschaft der Uckermark, weite Felder wechseln mit dem dichten Grün ausgedehnter Wälder, immer wieder blitzt dazwischen ein kleiner See auf. Die Klosteranlage erhebt sich am Ufer eines wie verwunschen wirkenden Sees mitten im Wald. Karl Friedrich Schinkel entdeckte das romantische Ensemble zu Beginn des 19. Jahrhunderts und sorgte als Brandenburgs erster Denkmalpfleger dafür, dass die Ruine gesichert und wiederaufgebaut wurde.
„Es ist ein Schlüsselwerk der deutschen Backsteingotik“, betont Brandenburgs heutiger oberster Denkmalpfleger, Landeskonservator Thomas Drachenberg. Mit der Wiederentdeckung der Ruine durch Schinkel könne man nun „200 Jahre der preußischen und brandenburgischen Denkmalpflege an diesem Bauwerk ablesen“. Kloster Chorin geht auf eine Stiftung der brandenburgischen Markgrafen Johann I. und Otto III. am Parsteiner See zurück. Hier errichteten 1258 die Zisterzienser das erste Haus- und Begräbniskloster des Askanier-Adels. Doch wegen des unwegsamen Geländes wurde das Kloster schon 1273 an den Choriner See umgesiedelt. Bis 1334 entstanden dort die Klostergebäude in hochgotischer Form. Der Schmuckgiebel der Westfassade wurde später zum Markenzeichen der brandenburgischen Backsteinarchitektur und ist in immer neuen Variationen auch an späteren Bauwerken der Mark zu finden.
Nach der Reformation wurden auch in Brandenburg die Klöster säkularisiert: 1542 verließen die Zisterzienser Chorin, die Klostergebäude wurden landwirtschaftlich genutzt, auch als Unterkunft für das Vieh. Anfang des 17. Jahrhunderts brannte ein Teil der Anlage ab, die übrigen Gebäude wurden dem Verfall überlassen. 1821 klagte der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm, dass die Kirche „den Schweinen preisgegeben“ sei.
Die Erneuerung der Klosteranlage begann im 19. Jahrhundert, zunächst nach Plänen Karl Friedrich Schinkels. In der DDR wurden ab den 60er Jahren Dächer und Giebel restauriert und Teile des Kreuzgangs wiederaufgebaut. Heute gehört die Ruine dem Land Brandenburg und wird von der Kommune verwaltet.
Am 23. Mai 1964 fand dort das erste Konzert des Choriner Musiksommers statt, damals noch eine Kulturveranstaltung für die Mitarbeiter des Instituts für Forstwissenschaften in Eberswalde, in deren Obhut sich die Klostergebäude befanden. Ziel des damaligen Institutsdirektors Albert Richter sei gewesen, „die Stimmung zu heben“, erzählt Kerstin Schlopsnies, die eine Jubiläumsausstellung kuratiert hat.
Aus den Konzerten für die Forstleute entwickelte sich über die Jahre das größte Musikfestival in Brandenburg, das bis 1989 rund 300 000 Besucher in den Konzertsaal mitten im Wald zog. Nach dem Ende der DDR und der Auflösung des Forst-Instituts in Eberswalde rettete der langjährige Mitarbeiter und Beauftragte für die Konzerte, Gunther Wolff, das Festival und gründete den Verein „Choriner Musiksommer“. Dank vieler Sponsoren wird die Konzertreihe bis heute weitergeführt. Seit 2006 steht das Festival unter der Schirmherrschaft des SPD-Politikers Wolfgang Thierse.
Im vergangenen Jahr wurde Christoph Drescher, der bisherige Geschäftsführer der Thüringer Bachwochen, zum neuen Festivalleiter bestimmt. Er wird den Musiksommer ab 2014 gestalten. Die Jubiläumssaison trägt noch die Handschrift des künstlerischen Leiters Gunther Wolff, der im Februar 2013 gestorben ist. Ein Konzert des Musiksommers am 21. Juli ist seinem Andenken gewidmet.
Sigrid Hoff
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