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Brandenburg: Hut tut gut

In Guben entsteht ein Museum, das der ehemaligen Traditionsindustrie ein Denkmal setzen will

Guben – Zwar kommt Brandenburg manchmal etwas eintönig daher, doch eines kann man dem Land sicher nicht vorwerfen: Dass es nicht nahezu pausenlos originelle Museen hervorbringt. Nach Bienen-, Zweirad-, Spargel-, Tabak-, Lügen- oder Storchenmuseum entsteht nun ein Hutmuseum. In Guben, direkt an der polnischen Grenze, dort gab es nämlich einst eine berühmte Hutindustrie.

Begründet wurde sie 1825 von dem Unternehmer Carl Gottlob Wilke und weiterbetrieben von dessen Söhnen, denn das Geschäft mit den handgefertigten Hüten lohnte sich, gelegentlichen Einbrüchen zum Trotz. Schon im Jahr 1900 hieß es in der Festschrift zum 75. Bestehen des Werks: „Täglich gehen aus der Wilkeschen Fabrik 200 Dutzend fertig garnierte Herrenhüte hervor. Sie gehen in alle Welt, kommen auf die Köpfe von Menschen, die dem Verfertiger ganz unbekannt sind, werden aufgesetzt und abgenommen, sitzen gerade und schief auf den Köpfen, werden manchmal vertauscht, fallen zuweilen ins Wasser und werden nach und nach verbraucht. Was wird schließlich aus ihnen?“

Eine Frage, die ab dem 30. Juni vielleicht eine Antwort findet, dann wird das neue Museum eröffnet, das dort entsteht, wo die Wilkesche Hutfabrik früher stand. 250 000 Euro soll das Vorhaben kosten, was Stadt, Land und Europäische Union gemeinsam bezahlen werden.

Die Stadt Guben setzt damit einer vergangenen Glanzzeit ein Denkmal. Bis in die 1920er Jahre war die Stadt an der Neiße Zentrum der europäischen Hutindustrie (Slogan: „Gubener Tuche, Gubener Hüte, weltbekannt durch ihre Güte“), von hier aus wurden Kopfbedeckungen in alle Welt exportiert. Hut-Urvater Wilke war es erstmals gelungen, aus Schafwolle wetterfeste Filzhüte herzustellen. Diese revolutionäre Idee war Ursprung der wirtschaftlichen Entwicklung des Ortes. „Allein im Jahr 1927 wurden hier zehn Millionen Hüte produziert, davon 30 Prozent für den Export“, sagt der Leiter des Städtischen Museums Guben, Bernd Pilz. „In den 20er Jahren war ein gutes Drittel der Gubener Bevölkerung direkt oder indirekt mit der Hutherstellung verbunden.“ Doch dann kam der Zweite Weltkrieg, und von dem hat sich der ehemals erfolgreiche Industriezweig nie erholt. Schrittweise ging es bergab, vor sechs Jahren machte schließlich der letzte Hutmacherbetrieb dicht. Konrad Großmann, der das neue Museum koordiniert, hofft, mit diesem die Tradition der Hutherstellung „wenigstens auf musealer Ebene“ wachhalten zu können. Der 60-jährige Angestellte der Stadt hat den Auftrag, auf den 450 Quadratmetern Ausstellungsfläche Technik-, Industrie-, Stadt- und Sozialgeschichte des Ortes sinn- und lehrreich sozusagen unter einen Hut zu bringen.

Für das Konzept haben die Gubener erfahrene Helfer geholt: Das Berliner Architekten-Büro „Peanutz“ hat schon die viel beachteten Räume im Schloss Lübben gestaltet. Auch deren Hutmuseumspläne klingen spektakulär: Die Ausstellungshalle soll mit überdimensionalen Hauben bestückt werden. In diese müssen die Besucher hineingehen oder -gucken, um die Exponate und Multimedia-Effekte zu erleben: historische Hutmaschinen, vielerlei Kopfbedeckungen, Filme oder Sound-Collagen, die sich um den Hut im Allgemeinen, Hut und Kunst, Hut und Literatur oder Hut und Mode drehen. Letztere bewegte die Menschen schon im Jahr 1900: Die modernen Damenhüte, lästerte damals der Festredner, seien zum Teil der Art, dass man sie kaum Hüte nennen möchte. Vielmehr erinnerten sie „an ein Vogelnest oder an ein Gartenbeet“ – womöglich schon Stichworte für die nächsten Museumsgründungen? ari/ddp

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