Von Thorsten Metzner: Illegale Zulagen-Pfründe belasten Landtag
Nach neuem Gutachten auch Kritik von Ex-Richter aus Karlsruhe und vom Landesrechnungshof
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Potsdam - In Brandenburg wächst der Druck auf das Landesparlament, die offenkundig verfassungswidrige Praxis von Fraktions-Zulagen für Vize-Fraktionschefs, Arbeitskreisvorsitzende und andere Funktionäre zu beenden. So machte Rechnungshofpräsident Thomas Apelt am Mittwoch keinen Hehl daraus, dass auch er den Kreis der Empfänger solcher Zulagen im Potsdamer Landtag für problematisch hält. „Es darf keine Hierarchien unter Abgeordneten, keine Abgeordnetenlaufbahn geben. Das sehe ich genauso wie das Bundesverfassungsgericht“, sagte Apelt den PNN. Er präzisierte damit frühere Aussagen zur Zulagen-Praxis im Landtag, die dort allgemein als Persilschein gewertet worden waren. Er sei lediglich in einem einzigen Punkt, im Einklang mit vielen Juristen, anderer Auffassung als das Karlsruher Urteil, das solche Zulagen 2000 lediglich bei Fraktionsvorsitzenden als verfassungskonform ansah, sagte Apelt. Man müsse dies um die parlamentarischen Geschäftsführer wegen deren „Riesenarbeit“ erweitern, aber eben nur im diese.
Wie berichtet, kam jetzt selbst ein Gutachten des parlamentarischen Beratungsdienstes im Landtag zum Ergebnis, dass die Praxis der Fraktionen – mit Ausnahme der Grünen – dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2000 widerspricht. Die SPD hat in ihren Reihen gleich sechs Besserverdienende, die CDU sieben, die Linke acht, die neben den monatlichen Diäten von 4503,74 Euro Zuschläge erhalten. Für den früheren Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch steht fest, dass das Karlsruher Urteil auch für Brandenburg gilt. Er hat kein Verständnis, dass es ignoriert wird. „Es ist ein unglaublicher Vorgang, wenn Verfassungsorgane so miteinander umgehen“, sagte Jentsch den PNN. Dass jetzt auch ein Gutachten des Landtages dies bestätige „wundert mich nicht“. Er sei überzeugt, dass auch das Brandenburger Verfassungsgericht im Grundsatz zu einem ähnlichen Urteil wie Karlsruhe kommen würde. Jentsch, von 1996 bis 2005 dort Richter am 2. Senat, war am Urteil vom 21. Juli 2000 (Az. 2 BvH 3/91) persönlich beteiligt. Karlsruhe hatte am Beispiel von Thüringen geurteilt, wie der Artikel 38 des Grundgesetzes zur Gleichheit aller Abgeordneten auszulegen ist. „Diese Auslegung des Artikels 38 gilt für alle deutschen Parlamente“, sagte Jentsch. Gegen den Gleichheitsgrundsatz werde verstoßen, wenn mit Funktionszulagen für Einzelne „Hierarchien“ gebildet werden. Dies sei nicht verfassungskonform, betonte Jentsch, „da Abgeordnete und damit ihre Wähler gleich zu behandeln sind.“ Dieser Gleichheitsgrundsatz für Abgeordnete finde sich auch in der Landesverfassung. Das Argument der Mehrbelastung, das oft angeführt werde, gehe ins Leere. „Es gibt immer Mehrbelastung. Es gibt auch Müßiggänger unter den Abgeordneten“, sagte er. „Aber die Mehrbelastung durch Funktionen erfolgt, um mehr Einfluss zu haben, nicht um mehr Geld zu verdienen. Das ist der falsche Ansatz.“ Wenn man der Meinung sei, dass die Abgeordnetenvergütung zu gering sei, dann müsse man die Diäten erhöhen, allerdings für alle. „Wenn man von Pauschalen abrückt, bewertet man die Stimmen der Wähler unterschiedlich - und das geht nicht.“ Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) hat das brisante Gutachten auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Landtagspräsidiums gesetzt. Die Neigung bei SPD, CDU und Linken, die Praxis zu korrigieren, ist gering. In einer Erklärung des Landtages hieß es schon vielsagend, es gebe auch andere Rechtsauffassungen.
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