
© Manfred Thomas
Streit in Brandenburgs Landesregierung: Im Kindergarten
Das rot-rote Bündnis streitet um Kitas, Verfassungsschutz, Speckgürtel-Soli. Und wie geht Regierungschef Dietmar Woidke mit den Turbulenzen zwischen SPD und Linke um?
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Potsdam - Familien in Brandenburg müssen noch Geduld aufbringen, bis es auch hier beitragsfreie Kindertagesstätten gibt. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke bekräftigte am Mittwoch während eines Redaktionsbesuch bei den PNN beitragsfreie Kitas als Ziel seiner Regierungspolitik, koppelte eine Einführung aber an das Junktim, dass Beitragsfreiheit nicht auf Kosten des Betreuungsschlüssels und nötiger weiterer Verbesserungen in der Qualität der Kitas gehen dürfe.
Streit um Kita-Finanzierung und Verfassungsschutz-Personal
„Was nicht passieren darf: Wir beschließen eine Freistellung, und haben dann die nächsten zehn Jahre kein Geld mehr für weitere Verbesserungen des Betreuungsschlüssels“, sagte Woidke. Die Turbulenzen in der rot-roten Koalition, bei denen SPD und Linke aktuell gerade um Kita-Finanzierung, Verfassungsschutz-Personal und die weitere Förderpolitik in Brandenburg streiten, versuchte Woidke wenige Tage vor der Einberufung des rot-roten Koalitionsausschusses mit diplomatischen Machtworten zu glätten. Die richteten sich vor allem, aber nicht nur, an die Linken.
„Die Beitragsfreistellung darf nicht zu einer Verschlechterung in der Kita-Qualität führen und auch nicht dazu, dass wir den Betreuungsschlüssel in Zukunft langsamer verbessern können“, sagte Woidke. Er betonte, dass die rot-rote Regierung seit 2009 die Kita-Förderung aus dem Landeshaushalt verdreifacht habe. Zwar habe man den Betreuungsschlüssel auf einen Erzieher für fünf Kinder in den Krippen abgesenkt, tue das auf 1:11 bei Kita-Kindern. Doch es bleibe hier noch genügend zu tun; so empfehle etwa die Bertelsmannstiftung Gruppenstärken für die Kleinsten von 1:3 und bei den Drei- bis Sechsjährigen von 1:8.
Beitragsfreie Kitas in Brandenburg erst 2019
Beitragsfreistellung sei ein sehr teures Unterfangen, müsse sorgfältig vorbereitet werden, brauche Zeit. Es sei aber sozialdemokratische Position, dass Kitas als Bildungseinrichtungen wie Schulen und Hochschulen beitragsfrei sein sollen. Bis die ersten Familien wie in Berlin auch in Brandenburg keine Elternbeiträge für die Kita-Betreuung zahlen müssen, wird nach seinen Worten noch bis 2019 dauern. Das Nachbarland Berlin, wo ab 2018 überhaupt keine Beiträge mehr fällig sind, wollte sich Woidke nicht vorhalten lassen. Dafür müsse man in Berlin teilweise „lange auf einen Kita-Platz warten, in Brandenburg nicht“, und in Berlin würden deutlich weniger Kinder als in Brandenburg die Einrichtungen besuchen, weshalb es für das Land größere finanzielle Spielräume gäbe.
In Brandenburg dreht sich der jüngste Krach in der rot-roten Koalition um die Kita-Finanzierung, um das erst vor einer Woche von der SPD-Landtagsfraktion angekündigte 50-Millionen-Programm „Kita Plus“. Wie berichtet hat sich jetzt herausgestellt, dass dessen Finanzierung weder geklärt, noch abgestimmt ist. Die SPD-Fraktion hatte erklärt, dass „Kita Plus“ aus dem vom Bund nach Brandenburg fließenden Betreuungsgeld von 59 Millionen Euro für 2016 bis 2018 bezahlt werden soll. Das Land will aus dem Programm Investitionen in Kitas, mehr Personal in Problem-Einrichtungen stecken, künftig Kitaleitungen zusätzlich fördern und damit die Betreuung indirekt verbessern. Doch genau die 59 Millionen Euro vom Bund sind im jüngst vom rot-roten Kabinett verabschiedeten Doppelhaushalt 2017/2018 bereits für die Kita-Finanzierung, konkret für einen besseren Betreuungsschlüssel, also mehr Personal, verbucht. Wohlfahrtsverbände und nun auch die SPD wollen dies nun kippen. Nach ihrem Willen soll Rot-Rot nur Landesgeld in die ohnehin vereinbarte Aufstockung der Kitas stecken. Das Bundesgeld soll extra obendrauf kommen. Fest steht, dass das Geld nicht zweimal ausgegeben werden kann.
Noch lehnen es die Linken samt Finanzminister und Vize-Parteichef Christian Görke ab, das Haushaltspaket für 2017/2018 an dieser Stelle wieder aufzuschnüren. Am Mittwoch kritisierte etwa der Linke-Vizeparteichef und Bundestagsabgeordnete Norbert Müller das Management des Koalitionspartners SPD. Die freiwerdenden Millionen aus dem Betreuungsgeld seien in mehr Qualität in den Kitas investiert worden, sagte Müller. „Es ist unredlich, dieses Geld doppelt ausgeben zu wollen und dafür noch Kinder zu instrumentalisieren.“ Und Görke belehrte die SPD, dass eine Doppelbuchung mit unterschiedlicher Begründung nicht statthaft sei. Das Betreuungsgeld sei vom Bund über die Umsatzsteuer als Einnahme verbucht und in die Etats der Ressorts geschrieben worden, auch beim Bildungsministerium.
Woidke übt Kritik - und auch Selbstkritik
Und der Regierungschef? Woidke goss kein Öl ins Feuer, vermied eine eindeutige Festlegung: „Es wird in Kürze eine Einigung geben. Es wäre nicht weise, sie vorwegzunehmen.“ Indirekt übte er Kritik – und damit Selbstkritik – am Koalitions-Management. Die ganze Debatte sei eigentlich überflüssig, sagte Woidke, „da beide Koalitionspartner das gleiche Ziel haben, nämlich bessere Bedingungen in den Kitas“. Jetzt müsse das Ganze in den Doppelhaushalt eingepflegt werden, „und das wird auch passieren“. Man werde ein „gutes Ergebnis“ finden.
Im Koalitionsausschuss wird also einiges zu bereden sein. So war jüngst bei der SPD der Linke-Vorstoß auf Kritik gestoßen, über einen „Speckgürtel“-Soli in der Kommunalfinanzierung rund einhundert Grundzentren vor allem in den ländlichen berlinfernen Regionen extra zu fördern, wie es vor der Neuausrichtung und Konzentration der Förderpolitik unter dem damaligen Regierungschef Matthias Platzeck schon einmal Praxis war. Ein Aufgeben der Förderstrategie „Stärken stärken“ schloss Woidke aus, nicht aber Nachbesserungen bei der Landförderung. „Ich bin ganz klar dafür, dass wir weiter Schwerpunkte setzen.“ Die neue Förderstrategie seit 2005 habe das Land vorangebracht. „Brandenburg sollte auch in kommenden Jahren dabei bleiben.“
Ministerpräsident will Verfassungsschutz aufstocken
In der Debatte um Brandenburgs Verfassungsschutz zeigte sich der Regierungschef zum einen offen für mehr parlamentarische Kontrolle, die Experten und ein Landtagsgutachten fordern: „Da bin ich jederzeit bereit, mehr zu machen.“ Im Gegensatz zu den Linken, die den schlecht ausgestatteten Verfassungsschutz klein halten wollen, hält Woidke eine Aufstockung für erforderlich. Er formulierte das so: „Wir sind uns mit dem Koalitionspartner einig, dass wir gerade in Sicherheitsfragen - nicht nur wegen der Sorgen der Bevölkerung, sondern wegen der tatsächlichen Herausforderungen - gut beraten sind, über Verbesserungen in Quantität und Qualität nachzudenken.“ Er verwies auf die parlamentarischen Beratungen zum Haushalt. „Die SPD hat Interesse, dass der Verfassungsschutz seine Arbeit gut leisten kann.“ Was nötig sei, werde der „durchsetzungsstarke Innenminister“ den Abgeordneten deutlich machen. Gleichwohl schloss Woidke nicht aus, dass auch der Verfassungsschutz Thema im rot-roten Koalitionsausschuss wird.
Und dann ist da noch das Nachbarland Berlin, wo am Sonntag neu gewählt wird, wo alles auf eine rot-rot-grüne Regierung hinausläuft. Hat der Ausgang Auswirkungen auf Brandenburg, auf das Verhältnis zwischen beiden Ländern? Hat Woidke Sorge, dass sich die Konflikte etwa in der Energiepolitik zwischen Brandenburg und Berlin zuspitzen, wenn die Grünen in Berlin mitregieren sollten? Da verwies Woidke darauf, dass es in Berlin wie auch in Brandenburg schon die verschiedensten Koalitionen gegeben habe. Und in der Energiepolitik habe das Abgeordnetenhaus einstimmig beschlossen, dass Brandenburg aus der Kohle aussteigen soll. „Dabei produziert Berlin zu 50 Prozent seinen Strom aus Kohle“, sagte Woidke. „Brandenburg produziert 25 Prozent seines Stromes aus Kohle, 75 Prozent aus regenerativen Energien.“ Und der Lausitzer Kohlestrom sorge auch dafür, „dass es in Berlin nicht dunkel wird“. Von der künftigen Regierung in Berlin, so der Regierungschef, „wünsche ich mir ein bisschen mehr Empathie für Brandenburg“.
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