
© Thorsten Metzner
Im Krisenkampf : Brandenburgs Linke suchen einen Weg aus dem Tief
Die Linke ist auch in Brandenburg im Richtungsstreit und liegt in Umfragen bei nur zehn Prozent. Das soll sich im Superwahljahr 2024 ändern. Nur wie?
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Brandenburgs Linke wird eine Volksinitiative starten, um auch in Brandenburg – wie in Berlin – kostenloses Schulessen durchzusetzen. Das hat Parteichef Sebastian Walter am Sonnabend auf einem Landesparteitag in Ludwigsfelde angekündigt und mit teils auf sechs bis sieben Euro drastisch gestiegenen Preisen für die Schulmahlzeiten im Lande begründet.
Es gehe um „eine Selbstverständlichkeit, dass Kinder in diesem Land nicht hungern müssen“, sagte Walter. „Wir werden kämpfen, wir werden die Landesregierung unter Druck setzen.“ Generell müsse dem „Klassenkampf von oben“ mehr entgegengesetzt werden. Tosender Beifall. Da waren sich die Genossen einig, da ja.
Doch Walter selbst ging in seiner Rede kurz, aber um so eindringlicher, auf die Krise der Partei ein. Die Richtungskämpfe um Sahra Wagenknecht, die Position zu Russlands Angriffskrieg erschüttern auch den Landesverband. Diese Debatten würden „in einer Härte geführt, die mir Sorgen macht“, sagte Walter.
Eindringlich erinnerte er daran, dass es um das Erbe von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gehe, dass die einstigen Brandenburger Parteigrößen Lothar Bisky, Heinz Vietze und Michael Schumann 1994 sogar in einen Hungerstreik für das Überleben der damaligen PDS getreten seien.
Wer über Neugründungen reden will, kann das tun, aber ohne uns.
Brandenburger Linke-Parteichef Sebastian Walter
„Wer über Neugründungen reden will, kann das tun, aber ohne uns“, sagte Walter in Anspielung auf Wagenknecht. „Es ist unsere historische Verantwortung, zusammenzubleiben. Wir werden in Brandenburg beweisen, dass es auch anders geht.“
Im März hatte der bisherige Parteivize Justin König seinen Austritt erklärt, wegen Putin-freundlicher Positionen von Teilen der Partei. Als Nachfolger wurde der Lausitzer Christopher Neumann gewählt. Es gab drei Kandidaten. Der Blankenfelder Andreas Eichner, ein Wagenknecht-Anhänger, schaffte es nicht in die Stichwahl.
Bundestagsabgeordnete Görke knöpft sich Döpfner vor
Nötig seien politische Botschaften statt Nabelschau, warnte der Bundestagsabgeordnete Christian Görke, der früher Finanzminister in der rot-roten Regierung und selbst Parteichef war. Görke machte vor, was er damit meinte. Er attackierte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner.
Und zwar nicht allein „wegen seiner entwürdigenden Aussagen über Ossis“, sondern weil der sich zu Lasten Brandenburgs „auf Kosten des Fiskus, des Landeshaushaltes und damit der Kommunen legal arm gerechnet hat“.

© IMAGO/Christian Spicker
Er verwies auf den bekannten Fakt, dass Friede Springer Döpfner, der in Potsdam lebt, 2020 Unternehmensanteile von über einer Milliarde Euro geschenkt hatte. Darauf wäre eine dem Land zustehende Erbschafts- und Schenkungssteuer von 300 Millionen Euro fällig gewesen, die der Springer-Vorstand durch den Kauf von Springer-Aktien in der gleichen Größenordnung völlig legal abwenden konnte.
„Mit Steuergerechtigkeit hat das nichts mehr zu tun“, sagte Görke. Die Linke werde im Bundestag einen Gesetzesvorstoß machen, damit so etwas nicht mehr möglich sei.
AfD mit 25 Prozent stärkste Partei
Mit dem Ludwigsfelder Parteitag bereitet sich die Linke zugleich auf das Superwahljahr 2024 vor, um verlorenes Terrain zurückzuholen. Knapp ein Jahr vor Kommunal-, Europa- und Landtagswahl liegt die frühere Regierungspartei in Umfragen lediglich bei zehn Prozent, während die AfD mit 25 Prozent vor der SPD stärkste Partei ist. Wie schwierig die Lage ist, schilderte Kornelia Wehlan, Landrätin des Kreises Teltow-Fläming, in dem Ludwigsfelde liegt.
Sie rede viel mit den Leuten, höre von fehlenden Kitaplätzen, fehlenden Lehrern, Problemen bei der ärztlichen Versorgung. „Viele haben sich von den demokratischen Parteien und der Linken abgewendet“, mahnte Wehlan. Aktuell verschärfe sich die Stimmung mit der Flüchtlingsproblematik, „es ist schwer, dem vor Ort täglich etwas entgegenzusetzen“.
Und je weiter weg von der Kommunalpolitik, desto mehr werde auf Landes- und Bundesebene „ideologisiert, da kann ich die Linke nicht aussparen“. Die Linke werde nicht mehr allein als Ost- und Friedenspartei verortet, kritisierte Wehlan. „Die fehlende inhaltliche Klarheit und die Zerstrittenheit von Bundestagsfraktion und Parteivorstand schrecken linke Stammwähler ab.“
Die politische Konkurrenz in Brandenburg kam nicht ungeschoren davon. Die Linke-Abgeordnete Andrea Johlige legte Innenminister Michael Stübgen (CDU) den Rücktritt nahe. Der habe dringend benötigte Plätze in der Flüchtlingserstaufnahme in Doberlug-Kirchhain geschlossen, baue nun aber Container-Unterkünfte und mache Stimmung gegen Migranten.
Und Parteichef Walter attackierte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der zwar Elon Musk alles verspreche, aber die Lage weder in der zerstrittenen Koalitionsregierung noch in der eigenen Partei mehr im Griff habe, „er lässt alles laufen“. Ein Hinweis Walters fehlte nicht: „Wir sind dazu bereit, in diesem Land Verantwortung zu übernehmen.“
Zwischenzeitlich beriet der Ludwigsfelder Parteitag hinter verschlossenen Türen nach Geschlechtern getrennt – in einem Frauenplenum und einem freiwilligen Männlichkeits-Workshop. Das war eine Premiere in der Geschichte der Landespartei.
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