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Brandenburg: Im Pulk gegen Rechts

Die Initiative Uffmucken wehrt sich mit Spachtel und Drahtbürste gegen Neonazi-Propaganda in Treptow-Köpenick

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Berlin - Die Arbeit ist zäh, nicht nur wegen des hartnäckigen Klebstoffs. NPD-Aufkleber, Hakenkreuze, rassistische Hetze – da kann einem direkt übel werden. An Laternen, auf Stromkästen, an Häuserwänden prangen oft nur ein paar Quadratzentimeter große Propagandaschriften, in den Vierteln rund um den Berliner S-Bahnhof Schöneweide, wo viele Neonazis wohnen. Kaum jemand kümmert sich darum, viele Bewohner bemerken die Aufkleber gar nicht oder wissen nichts damit anzufangen.

Diesen Zustand will die Initiative „Uffmucken“ nicht hinnehmen. Kati Becker und Yves Müller, Gründer der Initiative, rufen regelmäßig zu Kiezspaziergängen mit Spachtel und Drahtbürste auf, um rechtsextremistische Aufkleber und Plakate zu entfernen. Rund 60 Leute kamen zu den ersten Spaziergängen in Johannisthal, ein guter Start für die Initiatoren. Ihr Ziel ist, die Bewohner aufzurütteln, ihnen deutlich zu zeigen, dass ihr Stadtteil eine „Hochburg“ der Berliner Neonazi-Szene ist. Und dass man sich damit nicht abfinden sollte.

Kati Becker und Yves Müller sind Mitarbeiter im „Zentrum für Demokratie“, einem Projekt zur Förderung des „zivilgesellschaftlichen Engagements“ für Demokratie und gegen rechtes Gedankengut. Das Zentrum wird vom Bezirksamt Treptow-Köpenick und dem Bund finanziell unterstützt. Die Uffmucken-Initiative betreiben die beiden ehrenamtlich. Kati Becker, 33, ist studierte Sozialwissenschaftlerin, Müller, 29, hat einen Master in Geschichte gemacht. Beide sind in Schöneweide aufgewachsen und haben früh beobachtet, welche Unkultur sich in ihrer Nachbarschaft breit macht. Zu ihrem eigenen Schutz lassen sie sich nicht offen fotografieren.

Anlass für den ersten Spaziergang und die Gründung der Initiative war ein Vorfall Ende Mai. In Johannisthal wurden zwei „junge Linke“ von NPD-Anhängern attackiert und verfolgt. Die Linken waren dabei, Nazi-Plakate zu entfernen. Bei den organisierten Kiezspaziergängen komme es auch zu Pöbeleien und Beschimpfungen von Rechten, sagt Kati Becker, aber bei einem Pulk von 60 Leuten traut sich kein Neonazi, handgreiflich zu werden. Die Polizei begleitet die Spaziergänge inzwischen.

Kurz vor der zweiten Putzaktion gegen rechte Propaganda, in der Nacht zum 1. August, wurde ein Fenster des Hauses von Nico Schmolke, dem stellvetretenden Juso-Vorsitzenden, eingeworfen, wiederum in Johannisthal. Mit solchen Anschlägen versuchen die Rechten, eine Drohkulisse aufzubauen. Die Uffmucken-Gründer lassen sich davon aber nicht einschüchtern. Angriffe von Neonazis seien zahlenmäßig in Schöneweide und Johannisthal überschaubar – fünf bis zehn rechte Attacken registriere die Polizei im Jahr, wobei unklar ist, wie hoch die Dunkelziffer ist. In den neunziger Jahren sei das Gewaltpotential größer gewesen, sagt Becker, weil es damals rechtsfreie Räume gegeben habe. Die Polizei lasse das inzwischen nicht mehr zu, auch wenn die Uffmucken-Akteure die Beamten gerne in einer aktiveren Rolle sehen würde – aktiver gegen Rechts. Viele Aufkleber mit rechter Symbolik sind illegal und müssten eigentlich von den Behörden entfernt werden.

In den vergangenen Jahren seien junge Neonazis bewusst nach Schöneweide und Johannisthal gezogen; hier gibt es günstige Wohnungen für „rechte WGs“und mit dem „Henker“, der Kneipe in der Brückenstraße, und einem Laden für Szeneklamotten auch rechte Treffpunkte. Die Neonazis betrachteten die Gegend als ihre „Homezone“, nachdem sie aus anderen Kiezen, etwa dem Weitlingkiez in Lichtenberg, herausgedrängt worden sind. Das Herausdrängen soll nun auch in Treptow gelingen, doch dazu braucht es Zeit und Unterstützer. „Wir wollen den längeren Atem haben“, sagt Yves Müller.

Am 15. September gibt es einen weiteren Kiezspaziergang. Unterstützer sind willkommen. Treffpunkt ist um 14 Uhr in der Villa Offensiv, Hasselwerderstraße 28-40, in Niederschöneweide.

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