Gewalt auf U-Bahnhöfen: Im Untergrund soll es sicherer werden
Berlins Verkehrsbetriebe investieren 20 Millionen Euro in Sicherheit, die Fahrpreise sollen deshalb aber nicht steigen
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Berlin - Mit einem „Bündel an Maßnahmen“ zur Erhöhung der Sicherheit im Berliner U-Bahnnetz reagiert die Hauptstadt-Politik auf die anhaltende Debatte zu Gewalttaten im Nahverkehr. Am Donnerstag stellte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gemeinsam mit BVG-Chefin Sigrid Nikutta, Polizeipräsident Dieter Glietsch und Innensenator Ehrhart Körting (SPD) das Konzept vor. Insgesamt 30 Millionen Euro sollen für die Sicherheit bereitgestellt werden. Zehn Millionen gibt das Land für die Ausbildung von 200 zusätzlichen Polizisten aus, die ab 2013 in den U-Bahnen Streife gehen sollen. Weitere 20 Millionen investiert die BVG in Überwachungstechnik, Präventionsarbeit und 200 neue Sicherheitsmitarbeiter. Eine Fahrpreiserhöhung zur Finanzierung der Kosten soll es laut Nikutta nicht geben.
Wowereit betonte, dass die Anzahl von Straftaten im öffentlichen Nahverkehr seit Jahren rückläufig sei. Die Häufung von brutalen Angriffen in den letzten Wochen habe aber das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger beeinträchtigt. Er appellierte an die Fahrgäste, bei Übergriffen Zivilcourage zu zeigen und Hilfe zu rufen. „Wir können nicht garantieren, dass keine Gewalttaten mehr passieren.“
Die politische Konkurrenz findet Wowereits Vorstoß richtig, kritisiert aber wichtige Einzelheiten. CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel hatte schon am Mittwoch erklärt, Wowereit bestätige mit seinem Vorstoß, was die Union längst gefordert habe. „Unsere jahrelange Hartnäckigkeit hat sich also gelohnt“, erklärte Henkel und erinnerte daran, dass die Union in ihrem Wahlprogramm 250 zusätzliche Polizisten verspricht. Dahinter bleibe Wowereit zurück – und überdies sei es falsch, die Polizisten erst einmal aus anderen Bereichen abzuziehen. Dadurch entstehe „ein Sicherheitsleck“, so Henkel.
Damit begründet auch der Landesbezirksvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Purper, seine Kritik: Wowereit habe kein Sicherheitskonzept vorgelegt, sondern einen Schnellschuss im Wahlkampf abgefeuert, so Purper. „Jetzt rächt sich, dass der Senat in den letzten zehn Jahren 4000 Polizisten eingespart hat.“ Problematisch findet Purper vor allem, dass zunächst Beamte der Einsatzreserve den Dienst in der U-Bahn übernehmen sollten. Denn die Einsatzreserve – 60 Beamte – werde gebraucht, um nachts die Funkstreifen in gefährlichen Lagen zu unterstützen, etwa bei „gewalttätigen Zusammenrottungen“ oder versuchten Gefangenenbefreiungen – beides gehöre in Berlin zum Alltag.
Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann gestand Wowereit zu, „auf dem richtigen Weg“ zu sein. Doch seien zunächst 60 zusätzliche Kräfte „zu wenig“. Problematisch findet der Grünen-Politiker Wowereits Finanzierungsidee, denn die 200 neuen Stellen würden über Neuverschuldung finanziert: „Er verschiebt das ganze Problem und kippt es der nächsten Regierung vor die Tür.“
FDP-Fraktionschef Christoph Meyer und der Verkehrsexperte Klaus-Peter von Lüdeke erklärten, der „aktuelle Sicherheitsaktionismus“ lenke vom „Totalversagen“ des Senats bei der ÖPNV-Sicherheit ab. Die FDP fordert dreihundert Stellen für die Polizei. Im Nahverkehr werde ein Konzept gebraucht, das nicht allein die Präsenz von Polizisten regele, sondern „ein geschlossenes System“ herstelle: Auf den Bahnsteig dürfe nur gelangen, wer einen Fahrausweis habe.
Konkret ist eine andere, ungewöhnliche Idee, mit der die BVG Straftäter in Zukunft schon während ihrer Taten stoppen will: Auf 20 U-Bahnhöfen, die als Brennpunkte gelten, sollen zusätzliche Kameras installiert werden wie etwa am Kottbusser Tor. Gleichzeitig wird die Anzahl der Mitarbeiter in der Sicherheitsleitstelle von 20 auf 40 verdoppelt. Rund um die Uhr können so BVG-Angestellte in Echtzeit alle Bahnhöfe per Video überwachen. Kommt es auf dem Bahnsteig zu Sachbeschädigungen oder zu einem Streit, soll der Täter mit Lautsprecherdurchsagen gezielt angesprochen. Beispielsweise könnte dann die Ansage ertönen: „Hallo, Sie da! Sie werden gefilmt. Die Polizei ist bereits informiert.“ Rund eine Million Euro wird die Umrüstung der Lautsprecher kosten. „Das ist eine Möglichkeit einem Täter sofort klarzumachen: Hör’ auf, wir haben dich“, sagt BVG-Chefin Sigrid Nikutta. Auch wenn das Konzept „ein bisschen wie Big Brother“ aus dem Roman 1984 von George Orwell klingen würde, sei die BVG zuversichtlich, auf diese Art Gewalttaten zu verhindern.
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