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Selbstverteidiger. Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) versuchte am Donnerstag einen Befreiungsschlag. Geklappt hat es nicht. Es blieben zahlreiche Fragen in dem dubiosen Förderfall offen.

© Bernd Settnik/dpa

Causa Christoffers: Im Vertrauen

Wirtschaftsminister Christoffers rechtfertigt sich in der HBS-Affäre. Die Freigabe von drei Millionen Euro habe allein die Förderbank (ILB) entschieden. Und Ministerpräsident Woidke stützt ihn

Stand:

Potsdam - Plötzlich brach es aus ihm heraus. „Wir leben doch nicht in einer Monarchie oder in einem diktatorischen Regime“, entfuhr es Ralf Christoffers, dem Wirtschaftsminister Brandenburgs, dem Linken. Der 57-Jährige wirkte in dem Moment ernsthaft ungläubig, ja fassungslos, was man ihm und anderen Verantwortlichen zutraut. „Glauben Sie, dass jemand gegen Rechtspflichten verstößt, nur weil ein Minister das will? So funktioniert doch staatliches Handeln nicht.“

Das war am Donnerstag auf seiner mit Spannung erwarteten Pressekonferenz zu hören. Der zur Selbstverteidigung, auf der er alles vom Tisch räumen wollte, was nicht gelang. Er hatte sie einberufen müssen, weil in der Betrugs-Affäre um die Pleitefirma Human Bioscience (HBS) in Brandenburg staatliches Handeln nicht funktionierte. Weil er selbst wegen der Zahlung von 3,2 Millionen Euro Fördermitteln 2012 an die Firma trotz Hinweisen auf deren Unseriosität immer mehr in Bedrängnis geraten war. Und aus den Akten immer neue Details bekannt werden, wie Christoffers, das Ministerium, wie die Förderbank (ILB) auf Betrüger hereinfielen, obwohl es genügend Warnungen gab.

Der Saal im Ministerium war komplett gefüllt. Nicht nur Journalisten erschienen, auch Beobachter der Landtagsfraktionen. Und, was selten bei Pressekonferenzen von Fachministern vorkommt, eigentlich nur in Krisenzeiten, auch Mitarbeiter aus der Staatskanzlei von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Schon vorher war klar, dass vom Auftritt maßgeblich abhängen wird, ob Christoffers das Steuer herumreißen, womöglich sogar, ob er im Amt bleiben kann.

Und die Anspannung war Christoffers anzumerken, der nach der Wucht der Vorwürfe der letzten Monate angegriffen wirkte – mit tiefen Furchen im Gesicht. Zur Sache selbst sagte er wenig Neues, blieb bei seiner Version, und auch dabei: „Ich sehe keinen Grund und keinen Anlass zurückzutreten.“ Weder er persönlich, noch sein Ministerium hätten die ILB zur Auszahlung der Millionen gedrängt. Die ILB sei Herrin des Verfahrens gewesen. „Ich bin kein Lügner“, erklärte er erneut, womit er Vorwürfe von CDU- und FDP-Opposition zurückwies.

Es war ein Kreuzverhör, es waren bohrende Fragen, und mit den Antworten legte sich Christoffers fest. Warum gezahlt wurde, obwohl seit Anfang 2012 detaillierte Hinweise auf Betrug vorlagen, die ILB im April selbst die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hatte? Die seien im Prüfverfahren der ILB ausgeräumt worden, sagte er. „Wir sind die Fachaufsicht, wir haben keine weiteren Informationen als die Bewilligungsbehörde.“ Dass HBS-Firmengründer J. in den USA 2004 wegen Förderbetruges verurteilt war? Das habe er selbst erst kürzlich erfahren. Dass er bei der Wirtschaftsreise 2011 in die USA nicht die HBS-Fabrik besuchte, die gar keine war, wie ein RBB-Team jetzt herausfand, sondern mit J. in dessen Privathaus verhandelte? Das stimme, aber das sei in den USA üblich.

Mehrfach wiederholte Christoffers, dass er mit dem Auftritt „einen Schlusspunkt“ setzen wollte, was angesichts der Ungereimtheiten und neuen Fakten von vornherein aussichtslos war. Eine Stunde rechtfertigte er sich. Und doch blieben zentrale Fragen, wie es zur Auszahlung der 3,2 Millionen Euro kommen konnte, offen. Vor allem die, was in den entscheidenden Tagen im September 2012 passierte. So hatte noch am 25.September 2012 ein Ministerieller Christoffers für ein Gespräch gebrieft, das er am nächsten Tag mit der HBS im Landtag führen wollte und dann auch führte. Noch in dem Vermerk war von Geldflüssen nach Indien die Rede, von fehlenden Informationen zur Zuverlässigkeit der HBS und nicht vorliegenden Bestätigungen der Bank zur Bonität und zur Gesamtfinanzierung. Und davon, dass die ILB erst zahlen wollte, wenn die geförderten Gefriertrockner auch tatsächlich geliefert und gesehen worden seien. „Nur nach konkreter Anlieferung und Inaugenscheinnahme durch die Bewilligungsbehörde“, heißt es in dem Vermerk. Genau das geschah dann aber nicht.

Am 28.September 2012 – zwei Tage nach dem Landtags-Termin, von Christoffers, Ministeriellen, ILB-Verantwortlichen mit HBS-Managaern, bei dem die zügige Auszahlung der Gelder „vereinbart“ wurde – gab die ILB stattdessen die Millionen für Gefriertrockner frei, die dann nie geliefert wurden. Geld, das ins Ausland verschwand. Die ILB habe ihre Position revidiert, ihre Rechtsbedenken zurückgezogen, weil es „eine Ungleichbehandlung“ gegenüber anderen gewesen wäre, sagte Christoffers dazu – räumte aber ein: „Diese Fragen werden zu beantworten sein.“ Das Prüf- und Bewilligungssystem werde auf Konsequenzen aus dem Betrugs-Fall untersucht werden müssen.

Und Regierungschef Dietmar Woidke (SPD), der nicht schon wieder ein Kabinettsmitglied der Linken verlieren will? Der so kurz vor der Landtagswahl wohl allenfalls noch die Möglichkeit hätte, Christoffers zu entlassen und das Wirtschaftsministerium selbst mit zu führen? Er stellte sich am Nachmittag demonstrativ hinter den Minister. „Die Fragen sind im Wesentlichen beantwortet. Der Lügen-Vorwurf hat sich in Luft aufgelöst“, sagte Woidke. „Herr Christoffers hat mein volles Vertrauen.“ Es geht weiter.

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