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Brandenburg: Imam ohne Kanzel

Abdul Kamouss wurde bei „Günther Jauch“ bekannt. Er darf nicht mehr in der Al-Nur-Moschee predigen

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Berlin - Der Berliner Imam Abdul Adhim Kamouss darf an der Al-Nur-Moschee künftig nicht mehr predigen. Der Geistliche, dessen Auftritt in der Fernseh-Talkshow „Günther Jauch“ Ende September viel Aufsehen erregt hatte, kündigte in einer Facebook-„Mitteilung an alle Geschwister“ an, dass sein seit 14 Jahren in dem Neuköllner Gotteshaus angebotener Sonntagsunterricht dort nicht mehr stattfinden könne. Eine Lösung für dieses Problem werde gesucht.

Die Moschee war für eine weitere Stellungnahme nicht zu erreichen. Während aus Kreisen der Moschee verlautete, der Imam sei „vor die Tür gesetzt“ worden, da er einen geforderten Verzicht auf weitere Medienauftritte nicht akzeptiere, legt Kamouss gegenüber dieser Zeitung Wert auf eine differenzierte Darstellung. Bei Al-Nur seien nach der Jauch-Sendung Morddrohungen eingegangen. Nun unterstelle man ihm, das eigene Erscheinungsbild sei ihm wichtiger als das Ansehen der Moschee. Es gebe aber tatsächlich Morddrohungen auch gegenüber Mitgliedern anderer Moscheen.

Er selbst, sagt der Imam, habe mit Al-Nur gar keinen Vertrag, er sei dort nie angestellt, sondern in seiner ehrenamtlichen Arbeit als Geistlicher immer nur Gast gewesen. Die Auflösung der Zusammenarbeit rühre nun einerseits von der Kontroverse über die mediale Zurückhaltung, andererseits aber auch von organisatorischen Terminkonflikten. Für die Moschee, die keine öffentliche Aufmerksamkeit mehr wünsche, werde sein Rückzug sich allerdings problematischer auswirken als für ihn, denkt Kamouss. Der Imam, der für sich in Anspruch nimmt, einen guten Draht zu Jugendlichen zu haben und auch gefährdete Personen positiv beeinflussen zu können, meint, er selbst sei durch den umstrittenen Ruf dieser Institution mehr belastet worden als diese angeblich durch ihn. Aber eine Trennung habe er nicht angestrebt, denn er sei der Ansicht, dass „wir in dieser Zeit aneinander festhalten müssten“.

Der Marokkaner Kamouss war während der Jauch-Sendung am 28. September und von vielen Kritikern in den darauf folgenden Tagen als „Salafist“ abgestempelt worden. In einem Interview des Magazins „The European“ hatte er vergangenen Freitag noch einmal dagegen gehalten: Er bezeichne sich nicht als Salafisten, „weil dieser Begriff – völlig zu Unrecht, wie ich finde – vom Verfassungsschutz mit einer stark negativen Bedeutung belastet wurde. Der Begriff ist uralt und stammt aus dem neunten Jahrhundert. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein Salafist jemand, der sich ausschließt, der denkt, nur er wäre auf dem richtigen Pfad und alle anderen nicht, jemand der Integration und andere Denkweisen strikt ablehnt. All diese Dinge verabscheue ich.“

Nach Ansicht von Kamouss verstünden viele Muslime nicht, dass das deutsche Grundgesetz als „eine Ersatzbibel“ für die Gesellschaft zu sehen sei und sich aus „Lehren der Thora, des Evangeliums und des Korans herleitet“. Er als Muslim lebe „die Scharia in meinem Alltag – und trotzdem respektiere ich das Grundgesetz“, unter dessen Schutz er seine Religionsfreiheit genieße. Über die Herausforderung des Islamischen Staates werde innerhalb der muslimischen Gemeinschaft oft diskutiert. „Alle Gelehrten haben ein Rechtsurteil, eine Fatwa, zum IS veröffentlicht: Es ist eine irregehende, verdorbene Sekte, die nur Schaden für die muslimische Gesellschaft und die Welt bringt. Aber bei den Jugendlichen gibt es zum Teil Sympathien. Sie sehen IS als Freiheitskämpfer. Diesen Kindern, diesen Jugendlichen müssen wir uns widmen und ihnen erklären, warum es falsch ist, den IS zu unterstützen.“ Thomas Lackmann

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