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Unverzichtbar? Musiker von Brandenburgs Polizeiorchester bei der Eröffnung eines neuen Polizeireviers in Frankfurt (Oder). Auch bei Terminen der Präventionsarbeit wird gelegentlich aufgespielt.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Innenminister Schröter macht mit Polizei weiter Kulturpolitik

Brandenburgs Innenminister will trotz Kritik und Personalnot das Landespolizeiorchester erhalten.

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Potsdam - Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) will trotz scharfer Kritik des Landesrechnungshofes und trotz akuten Personalmangels mit der Polizei auf Steuerzahlerkosten weiter Kulturpolitik im Land betreiben. Schröter hat entschieden, dass das Landespolizeiorchester – eines des größten und teuersten Deutschlands – wie bisher mit den vorhandenen 45 Stellen fortbesteht und nicht reduziert wird. Abstriche wären daher „kulturpolitisch nicht zu verantworten“, sagte Schröter. Überlegungen für eine Verkleinerung des „beliebten und landesweit hoch anerkannten Orchesters“ auf 36 Stellen seien damit vom Tisch.

Schröters Begründung für die Entscheidung: Die Zeit des Personalabbaus bei der Polizei sei grundsätzlich vorbei. „Das gilt für die gesamte Polizei und damit auch für unser hervorragendes Orchester“, sage Schröter. Tatsächlich hat Schröter den Personalabbau endgültig gestoppt und einen Stellenzuwachs durchgesetzt. Pikant daran ist aber, dass die nun vom Landtag als Haushaltsgesetzgeber vorgesehenen 8250 Stellen bei der Polizei in Brandenburg nicht vollends besetzt werden können. Ganz im Gegenteil. Die magische Grenze von 8000 Beamten wird regelmäßig unterschritten.

Das räumt selbst das Innenministerium ein. Infolge der späten Korrektur der Polizeireform können frei werdende Stellen von Beamten, die in Pension gehen, nicht neu besetzt werden. Selbst die von Schröter aufgestockte Zahl der Polizeischüler an der Fachhochschule der Polizei in Oranienburg greift erst in einigen Jahren. Und weil Brandenburg alsbald Berlin als Schlusslicht bei der Höhe der Beamtenbesoldung ablösen wird, springen selbst Polizeischüler vor der Vereidigung ab, wie Andreas Schuster, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), jüngst erklärte.

Trotz der inzwischen prekären Personalsituation bei der Polizei, wachsender Herausforderungen durch Terrorgefahr und dem Wettbewerb um Nachwuchs will Schröter weiterhin die Stellen für das Polizeiorchester halten. Bislang hatte er für diese teure Kulturpolitik des Innenressorts einmütigen Rückhalt auch im Landtag. Schröter sagt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Das Polizeiorchester sei ein „unverzichtbarer Teil der Kulturlandschaft unseres Landes“. Derzeit umfasse das Orchester 42 Stellen sowie drei Musiker aus dem Land Berlin.

„Diese bewährte Ausstattung orientiert sich an den fachlichen Notwendigkeiten für ein sinfonisches Berufsblasorchester.“ Hinzu käme die siebenköpfige Combo, die aus ehemaligen Musikern des Polizeiorchesters Berlin besteht, die vollständig vom Land Berlin bezahlt werde. Mit seiner Entscheidung bleibe „die anerkannt hohe Qualität des Landespolizeiorchesters“ in Zukunft erhalten, ebenso die Auftrittsfrequenz. „Eine Verkleinerung des Orchesters wäre dagegen ohne einen Verlust an Qualität und Vielseitigkeit nicht machbar“, so Schröter. Abstriche könne er „als Freund von Kunst und Kultur nicht machen. Wir sparen nicht bei der Polizei und wir sparen auch nicht bei der Kultur.“

Dabei hatte der Landesrechnungshof in seinem 2015 vorgestellten Jahresbericht dem Orchester eine vernichtende Kritik ausgestellt. Der Rechnungshof hatte eine Kürzung auf 27 gefordert. „So wie es jetzt aufgestellt ist, hat es keine Existenzberechtigung“, rügte er. „Es trägt auch kaum Kultur ins Flächenland.“ Eine kriminalpräventive Wirkung sei nicht belegt. Bei einem Bikerfestival zeigten Rocker den Musikern sogar ihre „entblößten Gesäße“.

Und erst die Kosten: Ein Auftritt in Brandenburg kostete den Steuerzahler etwa 17 000 Euro. Von 2010 bis 2013 gab das Land fast 10,3 Millionen Euro für das Orchester aus. Einnahmen erzielte es in diesem Zeitraum lediglich in Höhe von insgesamt 128 400 Euro. Das sei die mit Abstand größte Lücke zwischen Förderung und Einnahmen aller vom Land geförderten Orchester, befand der Rechnungshof. Denn beim Polizeiorchester verzichtete das Land sogar auf Einnahmen, teils waren die Entgelte intransparent geregelt.

Zum Teil haben Ministerium und Polizei darauf reagiert. Es gibt seit Anfang 2016 neue Regeln. Das Entgelt pro Auftritt bei privaten Veranstaltern und Messen ist von 1500 auf 4500 Euro plus Servicepauschale von 200 Euro bis 1500 Euro erhöht worden. Das Innenministerium stellt auch fest: Bei der Organisation des Orchesters sei „mehr Verwaltung und weniger Künstlertum“ nötig.

Viel gebracht hat das alles nicht. Es gab 2016 bei gleichbleibenden Kosten und mehr Auftritten weniger Einnahmen. Die 32 000 Euro lagen leicht unter dem Durchschnitt der Vorjahre. Denn wegen der höheren Kosten zogen sich zahlreiche Veranstalter, Private und Unternehmer, zurück, wie etwa das Potsdamer Mövenpick-Restaurant mit seinem traditionellen Pfingstkonzert an der Historischen Mühle am Schlosspark Sanssouci. Während es im Jahr 2015 noch 32 bezahlte Konzerte gab, wurden 2016 mit sieben kommerziellen Veranstaltern Verträge geschlossen.

Dafür sei die Zahl der Konzerte im Rahmen der vorbeugenden Polizeiarbeit mit mehr als 100 fast verdoppelt worden. Die Präventionsarbeit der Polizei – aufgeklärt wird über Verhalten im Verkehr, Drogen, Einbrecher oder über Enkeltrick-Betrüger – gibt es also mit Begleitmusik. Für derlei Auftritte erzielt das Orchester aber keine Einnahmen – 2016 ebenso keine für die 51 Konzerte im Auftrag der Landesregierung und von Landesbehörden oder für 30 Auftritte in Kommunen oder bei gemeinnützigen Organisationen.

Bei Brandenburgs Polizei gibt es eine Redewendung für diese teure Image- und Traditionspflege auf Kosten der Steuerzahler: Das Polizeiorchester komme als Bulle und gehe als Freund.

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