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Brandenburg: Ins Gebet genommen

In der Sehitlik-Moschee predigte der Imam gegen Gewalt – gemeinsam mit der Polizei

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Berlin - Polizeidirektor Gary Menzel hebt den Blick zum Imam und lauscht seiner betörenden Stimme. Die muslimischen Männer um ihn herum murmeln Suren, wenden den Kopf nach rechts, dann nach links, erheben sich und sinken nieder gen Mekka. Menzel verharrt im Schneidersitz auf dem weichen grünen Teppich und lauscht ohne zu verstehen.

Die prachtvoll verzierte Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin-Neukölln hat zum Freitagsgebet geladen. Weil am Montag die Schule beginnt und der Fastenmonat Ramadan, will der Imam den Gläubigen ein wenig ins Gewissen reden. Er predigt zu den Regeln des Fastens und denen des friedlichen Zusammenlebens. Deshalb sind hochrangige Polizisten aus Kreuzberg und Neukölln da, in Uniform. Auch der Polizeipräsident und der türkische Botschafter sind angemeldet, lassen sich aber wegen dringender Termine entschuldigen.

Polizei und Moscheegemeinden machen gemeinsame Sache gegen Kriminalität und Gewalt, das ist die Botschaft der heutigen Bilder. „Moschee und Polizei an derselben Front, das erschreckt einige der Täter“, sagt Ender Cetin von der Ditib, dem türkisch-islamischen Dachverband, zu der die Sehitlik-Moschee gehört. Weil unter den Jugendlichen, die Gewalt ausüben, das „religiöse Vokabular“ wachse, könne man sie auch über die Religion erreichen. Allerdings nur indirekt, weil die wenigsten in Moscheen gehen. Es brauche Multiplikatoren, sagt Cetin, gut erzogene Jugendliche, die auf der Straße weitererzählen, was sie vom Imam gelernt haben.

Vor der Moschee hat die Polizei einen Infostand der Anti-Gewalt-Initiative „Stopp Tokat“ aufgebaut. Tokat bedeutet soviel wie „Ohrfeige“ oder auch „Abziehen“. Stopp Tokat ist ein Zusammenschluss von türkischen Verbänden, Polizei, Unternehmen und Anti-Gewalt-Initiativen. Das Aktionsterrain sind Kreuzberger Schulen und Jugendeinrichtungen. Hier gibt es bundesweit die meisten Raub- und Drogendelikte, durchschnittlich ein Delikt pro Tag, aber das ist nur die „Hellziffer“, sagt Polizeidirektor Menzel, der den zuständigen Abschnitt 53 leitet. Viele Delikte kämen gar nicht zur Anzeige, weil in bildungsschwachen Familien oft das Bewusstsein vorherrsche, kleine Diebstähle gehörten zum normalen Alltag.

Bis zu 1500 Menschen passen in die Moschee. Es sind Greise, Familienväter mit ihren Söhnen und ganze Gruppen Jugendlicher gekommen. Viele wohnen weiter entfernt, im Wedding oder in Spandau. Sie kommen hierher, weil es sie stolz macht, in einer prächtigen Moschee zu beten.

„Das sieht hier richtig osmanisch aus“, findet Abiturient Fatih Kabil, 19 Jahre alt. Er ist mit Freunden jeden schulfreien Freitag in der Moschee. Das Tokat-Projekt kennt er nicht. Auf seiner Schule, dem Rheingau-Gymnasium in Steglitz, laufe alles „sehr diszipliniert“. Ein paar Jungs aus dem Rollbergviertel stolzieren vor der Moschee auf und ab, immer auf der Suche nach dem nächsten Mikrofon. Sie hätten noch nie etwas geklaut (bis auf einen Bonbon), schließlich verbietet das der Hodscha.

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