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Vergebliche Hoffnung. In den 90er Jahren setzte das Land Brandenburg vor allem auf spektakuläre Großprojekte wie den Luftschiffbauer Cargolifter in Brand (Dahme-Spreewald). Häufig endeten die ehrgeizigen Pläne jedoch in einem Fiasko.

© Archiv

Brandenburg: Jeder sechste Euro in Berlin verdient

Gutachten für Nachwende-Enquete: „Kleine DDR“ hat Aufschwung Brandenburgs nicht geschadet

Stand:

Potsdam - Jeden sechsten Euro verdienen die Brandenburger inzwischen in Berlin. Das geht aus einem den PNN vorliegenden neuen Gutachten für den Potsdamer Landtag hervor. Darin werden die Einkommen der Hauptstadt-Auspendler auf jährlich 6,5 Milliarden Euro beziffert, was 15 Prozent der Einkünfte der Bevölkerung ausmacht. „So hoch ist ein solcher Anteil in keinem anderen Bundesland“, heißt es. Das durchschnittliche Brutto-Einkommen eines Brandenburgers ist mit 17 742 Euro jährlich höher als im Rest Ostdeutschlands (15407 Euro) und als in Berlin ( 17 070 Euro). In den alten Ländern liegt es bei 23400 Euro. Im Umland ist es sogar deutlich höher, mit 21 332 Euro im Kreis Potsdam-Mittelmark, der damit aber immer noch nur auf Platz 200 der 413 deutschen Landkreise liegt. „Brandenburg spielt beim Einkommen nur in der 3.Liga und den Ligen darunter“, heißt es.

In der 110–Seiten-Expertise haben die Ostdeutschland-Spezialisten Joachim Ragnitz (ifo Dresden), Karl Brenke (DIW Berlin) und Udo Ludwig (IW Halle) für die Nachwende-Enquete des Landtages die Wirtschaftspolitik in Brandenburg von 1990 bis 2011 unter die Lupe genommen. Sie kommen zum frappierenden Ergebnis, dass das lange als „kleine DDR“ geltende Brandenburg zwar tatsächlich wie kein anderes Ost-Bundesland auf staatliche Interventionen und Verteilung gesetzt hat – aber das dies gegenüber anderen Ost-Ländern auch nicht geschadet hat. Laut Gutachten ist es egal, welche Wirtschaftpolitik Länder machen, welche Parteien regieren. So hatte das seit 1990 SPD-regierte Brandenburg in den Anfangsjahren versucht, marode DDR-Betriebe zu halten, später auf Großprojekte wie Cargolifter oder Lausitzring oder bis 2004 auf eine vor allem auf Randregionen ausgerichtete Förderpolitik gesetzt, die als Leitbild der „Dezentralen Konzentration“ firmierte und „gescheitert“ sei. Brandenburg habe von „allen Bundesländern wohl die am stärksten auf selektive staatliche Intervention gerichtete Wirtschaftspolitik betrieben“, heißt es. Pikant ist der Befund, dass dies auch weiterhin so ist, nämlich unter umgekehrten Vorzeichen als Folge der Neuausrichtung der Förderpolitik in der Großen Koalition ab 2005. Seitdem werden Fördermittel auf Wachstumsbranchen und ausgewählte Orte konzentriert. Im Gegensatz sei die Politik der übrigen Länder, vor allem Sachsen oder Thüringen, stets „stärker auf Unterstützung von Marktprozessen ausgerichtet“, oder von Beginn an vor allem auf Mittelstand und forschungsintensive Unternehmen. Allerdings, so stellen die drei Ost-Experten fest, gibt es heute kaum Entwicklungsunterschiede zwischen Brandenburg und den anderen Ost-Ländern, sodass „weder die eine, noch die andere wirtschaftspolitische Orientierung als erfolgreicher einzuschätzen ist.“ Vielmehr machten die geringen Unterschiede deutlich, „dass der Einfluss der Wirtschaftpolitik eines Bundeslandes vergleichsweise gering ist“. Viel wichtiger seien offenkundig „standörtliche Bedingungen“, heißt es, also etwa Berlin-Pendlern. Und, trotz der Staatsinterventionen seiner Regierungen gibt es in keinem anderen Ost-Bundelsand so viele Selbstständige wie hier, nämlich derzeit 131 000. Beim Selbständigenanteil habe Brandenburg selbst „die alten Bundesländer überholt“.“ 

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