Brandenburg: „Jeht nich’ – hat keener jesacht“
Ein launiger Vormittag mit Klaus Wowereit, dem Pensionär, im BER-Ausschuss
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Berlin - Hinterher ist man oft schlauer. Auch Klaus Wowereit. Die Eröffnung des Flughafens BER „hätte vielleicht schon im Dezember 2011 verschoben werden müssen“, sagt der frühere Regierende Bürgermeister und Aufsichtsratschef am Freitag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Ursachen des BER-Desasters aufklären soll. „Aus heutiger Kenntnis wäre es sicher besser gewesen, eine Risikoabwägung zu machen und vorher die Sache zu stoppen“.
Und nicht erst fünf Monate später, am 8. Mai 2012, dem peinlichsten Tag im politischen Leben Wowereits. Dem Anfang vom Ende einer Ära, die sofort wieder auflebt, wenn der Pensionär, 61 Jahre alt, öffentlich in Erscheinung tritt. In seinem taubenblauen Lieblingsanzug steht er am Freitagvormittag im Foyer des Abgeordnetenhauses, mit einem Stoffbeutel von Bread & Butter in der Hand, in dem er Unterlagen verstaut hat.
Er schaut die Treppe hinauf, zu den Journalisten und Fotografen, grinst fröhlich und schreitet die Stufen hinauf. Wowereit, ganz Profi, sagt kein Wort ins Mikrofon, denn er ist hier, im Parlament, als wichtiger Zeuge geladen. Zum zweiten Mal. Im Juni 2013 wurde er schon einmal befragt. Große Beschwerden scheint ihm diese Rolle nicht mehr zu bereiten. Als ihn die Linken-Abgeordnete Jutta Matuschek bittet, doch eine Bilanz des Flughafendesasters zu ziehen, sagt er erst mal: „Nö!“ In wenigen Worten sei das nicht zu machen. Aber dann bemüht sich Wowereit doch. Als eines von zwei entscheidenden Problemen sieht er, welche Überraschung, „die Komplexität der gesamten Entrauchungsanlage“. Das zweite Hauptproblem war aus seiner Sicht der misslungene Versuch, den Flughafenbau an einen privaten Generalunternehmer zu vergeben. Dieser Prozess, der zu der Entscheidung führte, den BER doch in öffentlicher Regie zu errichten, habe viel Zeit gekostet. Bei fast allem, was er am Freitag in dreistündiger Anhörung sagt, bleibt der Zeuge sachlich und freundlich.
Der Regierende im Ruhestand verzichtet auf jene patzige Ungeduld und Arroganz, mit der er in 14-jähriger Amtszeit den politischen Gegnern das Leben schwer machte. Sich selbst manchmal auch. In der Pause steht er dann im Flur vor dem Sitzungssaal, neben dem Stand für Kaffee und Brötchen, und plaudert mit einem alten Herrn, der offenbar regelmäßig die öffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses besucht.
Während der Befragung verfällt Wowereit immer wieder in den weichen Berliner Slang, den er schon als Berliner Regierungschef pflegte. Überhaupt erscheint alles in einem milden Licht, auch als er über das ständig wechselnde Führungspersonal des Flughafens spricht. „Keener hat jesacht, det jeht allet nich“, fabuliert Wowereit. Alle hätten bis zum Schluss daran geglaubt, die Eröffnung des Flughafens BER pünktlich zu schaffen. Nein, er habe keine Anhaltspunkte, von der Geschäftsführung bewusst hinters Licht geführt worden zu sein. Aber Wowereit sagt auch, zur Verantwortung für das Desaster: „Jetzt behauptet jeder, er war es nicht, es waren die anderen.“ Doch seien alle „Teil des Systems“ gewesen. Schon zu Beginn der Befragung weist Wowereit jedes heimliche Vorwissen über die drohende Katastrophe zurück. Seit drei Jahren bleibt er bei der Version: Über viele Probleme sei intern gesprochen worden, „aber es gab für mich keinen Anhaltspunkt, dass BER nicht rechtzeitig fertig wird“. Ulrich Zawatka-Gerlach
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