Brandenburg: Jetzt droht auch noch die Privatisierung
Weitere Zuschüsse von Berlin, Brandenburg und dem Bund für den BER müssen von der EU genehmigt werden. In Brüssel aber verliert man die Geduld
- Alexander Fröhlich
- Matthias Matern
- Ulrich Zawatka-Gerlach
Stand:
Berlin/Brüssel - Nach dem Desaster um mehrfach verschobene Eröffnungen und nötige Umbauten am BER droht der Flughafengesellschaft auch noch die Finanzierungskrise – und schlimmstenfalls sogar die Privatisierung. Davor warnt jetzt der brandenburgische CDU-Europaabgeordnete Christian Ehler. Nur „mit Mühe und Not“ habe Brüssel im vergangenen Dezember die staatlichen Zuschüsse in Höhe von 1,2 Milliarden Euro genehmigt, die benötigt wurden, um die Mehrkosten abzudecken, die durch die geplatzte Flughafeneröffnung am 3. Juni 2012 verursacht wurden, erklärte Ehler am Dienstag dieser Zeitung. „Weitere Zuschüsse wird die EU-Kommission vermutlich nur unter Auflagen erlauben. Denkbar wäre die Forderung einer teilweisen oder aber einer kompletten Privatisierung“, erklärte der Europapolitiker. Schließlich sei davon auszugehen, dass die öffentlichen Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg wegen der mittlerweile aufgelaufenen und noch zu erwartenden Kosten auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein werden, den BER wirtschaftlich zu betreiben.
Als Beispiel für eine ähnliche Entscheidung verweist Ehler auf die Landesbank Berlin. Auch dort hätten die Gesellschafter damals mehr und mehr einsetzen müssen. Am Ende genehmigte die EU-Kommission die Milliardenhilfen für die in Schieflage geratene Bankgesellschaft Berlin, wie die LBB zuvor hieß, nur unter der Auflage, dass das Land Berlin seine Anteile von rund 81 Prozent an der Bankgesellschaft bis Ende 2007 verkauft.
Vorerst aber wollen die Wettbewerbshüter aus Brüssel nicht einschreiten. Eine Sprecherin von EU-Beihilfekommissar Joaquín Almunia sagte den PNN zu den Ende 2012 genehmigten Extra-Zuschüssen von 1,2 Milliarden Euro von Berlin, Brandenburg und Bund: „Wir haben unsere Entscheidung am 19. Dezember auf Grundlage der vorliegenden Informationen getroffen.“ Wie berichtet hatte sich am Vortag BER-Technik-Chef Horst Amann mit Fachleuten getroffen und war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Eröffnung im Oktober 2013 nicht zu halten ist. Damit ist der genehmigte und bisher gültige Kostenrahmen nicht zu halten, die Ausgaben haben sich bislang auf 4,3 Milliarden Euro verdoppelt. Ein Anstieg auf mehr als mindestens fünf Milliarden Euro ist zu erwarten, zumal Umbauten nötig sind. Obwohl bereits einen Tag, bevor die EU die Genehmigung erteilte, sich intern abzeichnete, dass der Termin- und damit der Kostenplan nicht zu halten ist, wollen die Wettbewerbshüter den Fall nachträglich nicht aufrollen. Ungemach droht bei einem neuen Antrag, der unausweichlich ist. Die EU-Sprecherin sagte: „Wenn Deutschland jetzt entscheidet, noch mehr öffentliche Mittel bereitzustellen, dann muss es neu notifiziert werden. Und dann wird aufgrund der Beihilferegeln neu entschieden.“
Auf jeden Fall wird es bald eng für die Flughafengesellschaft. Die erste Tranche in Höhe von 325 Millionen Euro der vereinbarten Finanzspritze sollte bis zum heutigen Mittwoch überwiesen werden, um die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens kurzfristig zu sichern. Doch die Gesellschafter drehen den Geldhahn vorerst zu, das war am Dienstag vom Bund und aus Berlin zu hören. Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov hatte bereits am Montag angekündigt, er werde den Anteil Brandenburgs von 120 Millionen Euro einfrieren, ausgenommen sind die Mittel für den Schallschutz. Markov forderte zudem mehr Details über die genaue Verwendung der Mittel.
Brandenburgs rot-rote Regierungskoalition stellt sich dennoch jetzt darauf ein, schon in diesem Jahr einen Nachtragshaushalt aufzustellen, um die weiteren, noch nicht absehbaren Mehrkosten abzufangen. SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher war jedenfalls reichlich sauer über die neue Terminverschiebung. Denn erst im Dezember hatte die Koalition den Doppelhaushalt 2013/14 durchgebracht, darin enthalten ist auch der Anteil Brandenburgs am 1,2-Milliarden-Euro-Paket von 440 Millionen Euro. Das ist jetzt hinfällig. Und es wird nicht einfacher, denn im Gegensatz zu den steigenden Ausgaben beim BER spart Rot-Rot an anderer Stelle kräftig.
In Berlin gibt es bisher nur grobe Schätzungen, was die neue Verschiebung der BER-Eröffnung zusätzlich kosten könnte. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der jetzt den Vorsitz des BER-Aufsichtsrates an Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) abgibt, sagte intern, dass ihm noch keine Erkenntnisse über drohende Mehrausgaben vorlägen. Haushälter der SPD/CDU-Koalition rechnen mit über 300 Millionen Euro zulasten Berlins, sollten größere Umbauten am Terminal anstehen. Im Koalitionsausschuss haben sich die Führungsleute von SPD und CDU Montagabend darauf verständigt, dass die Haushaltskonsolidierung nicht gefährdet werden darf. Eine höhere Verschuldung will Rot-Schwarz für den verkorksten Flughafenbau nicht in Kauf nehmen. Die Haushaltslage für 2013, soweit absehbar, ist so weit entspannt, dass diese Vorgabe voraussichtlich erfüllt werden kann. Das Land Berlin verfügt im neuen Jahr demnach über eine verfügbare Finanzmasse von 400 Millionen Euro, die für den Flughafenbau verwendet werden könnten, ohne neue Kredite aufnehmen zu müssen. Die günstige Finanzlage lässt zu, dass geplante Investitionsprojekte – zum Beispiel die Landes- und Zentralbibliothek – nicht infrage gestellt werden.
A. Fröhlich, M. Matern,
Th. Metzner, U. Zawatka-Gerlach
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: