OHNE KONTROLLE ÜBER DIE ODER Das Nachbarland rückt wieder ein Stück näher: Jetzt ist Polen wirklich offen
An der Grenze müssen keine Ausweise mehr vorgezeigt werden, und Schwedt hat eine neue Buslinie
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Frankfurt (Oder)/Schwedt - Wenige Stunden vor dem Wegfall der Personenkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze hat das gemeinsame Polizeizentrum gestern am Autobahnübergang Swiecko bei Frankfurt (Oder) seine Arbeit aufgenommen. 70 Beamte aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen werden hier gemeinsam mit Angehörigen der Bundespolizei, des polnischen Grenzschutzes und der Zollbehörden beider Länder die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität koordinieren. Hier laufen alle Fahndungsaktionen, die Überprüfung von Personaldaten und Mitteilungen über Auffälligkeiten im Grenzgebiet zusammen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte das Zentrum bei der Eröffnung einen „Garant für mehr Sicherheit“. Nie sei die grenzüberschreitende Zusammenarbeit so intensiv wie jetzt gewesen.
„Wir haben alle rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um flüchtige Verdächtige über die Grenzen hinweg verfolgen zu können“, sagte Schäuble. Diese so genannte „Nacheile“ war lange Zeit umstritten und eine Hauptforderung der Polizeigewerkschaft im Vorfeld des Wegfalls der Personenkontrollen. Nun müssen weder polnische noch deutsche Polizisten beispielsweise bei der Fahndung nach Bankräubern oder entflohenen Häftlingen an den Brücken über Oder oder Neiße umkehren. Während der Bundesinnenminister mit seinem polnischen Amtskollegen Grzegorz Schetyna, Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Polizeichefs die Details der künftigen Arbeit besprach, liefen noch die Vorbereitungen für die endgültige Räumung der Abfertigungsgebäude. Sie wurden um Mitternacht der polnischen Seite überlassen.
In die bisherige Kontrollstelle bei Schwedt wird voraussichtlich die Verwaltung des polnischen Teils der Nationalparks „Unteres Odertal“ einziehen. An diesem Oderübergang konnten die Insassen eines Busses bereits zur Mittagszeit das besondere Gefühl einer Fahrt ohne das Vorzeigen des Ausweises erleben. Die vorfristige Zurückhaltung der Beamten hatte allerdings einen Grund: Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) saß in der ersten Reihe und eröffnete die neue Buslinie von der Industriestadt Schwedt in das 20 Kilometer entfernte Chojna. Vorerst verkehrt die Buslinie dreimal an jedem Sonnabend in das 6000 Einwohner zählende Städtchen. Platzeck nannte den Wegfall der Personenkontrollen das „schönste Weihnachtsgeschenk für die Menschen beiderseits von Oder und Neiße“. Die Tragweite werde sich in einigen Jahren zeigen. Nun trenne beide Länder nur noch die unterschiedliche Währung. „Gemeinsam mit den polnischen Nachbarn besteht nun die Chance, dass sich die Oderregion zu einem ähnlich prosperierenden Wirtschaftsraum wie die Rheinschiene entwickelt“, so Platzeck.
Manche Einwohner erinnerten sich gestern an die Öffnung der polnischen Grenze im Jahre 1972, als DDR-Bürger keine persönliche Einladung mehr für einen Besuch im Nachbarland brauchten. Anfang der 80er Jahre endete dieser Pass- und Visafreie Verkehr wieder, nachdem in Polen die Solidarnosc an den Grundfesten des Sozialismus gerüttelt hatte.
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