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Von Thorsten Metzner: Kabinett bewusst nicht informiert

Lasa-Affäre ein Grund für Etat-Sperre / Markov-Entscheidung sorgt für Wirbel / Opposition ist empört

Stand:

Potsdam - Die von Finanzminister Helmuth Markov (Linke) verhängte Haushaltssperre in Brandenburg sorgt weiter für Aufregung. Die Kritik hält auch an, weil die rot-rote Koalition kurz zuvor das bundesweit einmalige Schüler-Bafög für bedürftige Abiturienten im uniformierten Landtag durchgesetzt hatte. Es wird Brandenburg künftig 5 Millionen Euro jährlich kosten, 2010 sind es 1 Million Euro, die von der Sperre wie auch Neueinstellungen nicht betroffen sind. Die Opposition sah am Donnerstag den Verdacht erhärtet, dass diese Reihenfolge kein Zufall war. „Man wollte warten, bis die wichtige Abstimmung über das Prestigeprojekt durch ist“, sagte der CDU-Wirtschafts- und Finanzexperte Dierk Homeyer. Markov verteidigte dagegen sein Vorgehen auf einer Sondersitzung des Finanzausschusses des Landesparlaments. Eine von der Opposition aus CDU, FDP und Grüne geforderte Regierungserklärung von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) war zuvor von den Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Erst vor vier Wochen war der Zehn-Milliarden-Haushalt für 2010 verabschiedet worden.

Ein brisanter Grund für die plötzliche Lücke in den Landeskassen, den weder Markov erwähnte, noch die Opposition erfragte, liegt nach PNN-Recherchen in der die Abrechnungs-Affäre bei der Landesagentur für Struktur und Arbeit (LASA), die bereits zur Abberufung beider Geschäftsführer führte. Wegen fehlerhafter Bewilligungen kann Brandenburg, wie berichtet, zurzeit gar keine EU-Arbeitsmarktmittel abrufen und muss die Gelder – für 2010 geht es um rund 99 Millionen Euro – vorstrecken. Zuständig ist Sozialminister Günter Baaske (SPD).

Auf der Ausschusssitzung begründete Markov seine Haushaltssperre nun damit, dass zum Jahresende ein Defizit von 165 Millionen Euro drohe – zusätzlich zu den im Haushalt bewilligten Krediten von 650 Millionen Euro. Woher es kommt? Neben höheren Ausgaben seien Verzögerungen beim Eingang fest eingeplanter Mittel von Bund und EU der Grund, sagte er. „Das Soll ist gewachsen, weil Gelder von Bund und EU nicht gekommen sind.“ Niemand fragte genauer nach. Markov erwähnte auch das ESF-Programm, für das die LASA die Fördermittel verwaltet. Ende März habe es im laufenden Haushalt ein Minus von 229 Millionen Euro, Ende April bereits von 320 Millionen Euro gegeben. Anfang Mai beschloss das Parlament den Haushalt. Ende Mai lag die Lücke laut Markov bereits bei 460 Millionen Euro. „Ich musste auf die Bremse treten.“

Der Linkspolitiker verteidigte den Termin der Verkündung, ein paar Stunden nach dem Bafög-Beschluss. Kein Finanzminister vor ihm habe so zeitnah das Parlament über eine Haushaltssperre informiert, sagte er. Das Kabinett, das am Dienstag – dem Tag vor der Plenarsitzung zusammengetreten war – habe er dagegen „bewusst nicht“ über seine Absicht in Kenntnis gesetzt. Schließlich hänge der Erfolg vom Überraschungseffekt ab. Er habe es am Mittwoch 14.48 Uhr verschickt „und sehr sehr kurz davor die Genehmigung des Ministerpräsidenten bekommen“. Zu dieser Zeit lief die aufgeladene Generaldebatte zum Schüler-Bafög (PNN berichtete), die etwa 15.05 Uhr beendet war. Trotz mehrfacher Nachfragen der sich auf diese Frage konzentrierenden Opposition sagte Markov nicht, seit wann Platzeck von der geplanten und abgesegneten Haushaltssperre unterrichtet war. Linke-Vizefraktionschef Stefan Ludwig verwies darauf, dass dies den „Kernbereich exekutiven Verwaltungshandelns“ berühre, zu dem die Regierung keine Auskunft geben müsse. Als Opposition hatte die Linke den damaligen Regierungen regelmäßig vorgeworfen, unter Berufung auf dieses Argument wichtige Fakten nicht offenzulegen – und dies sogar vor dem Verfassungsgericht einzuklagen versucht. Rot-Rot, am Vortag selbst unter Schock wegen der Sperre, stärkte Markov nun den Rücken. Linke-Geschäftsführer und Finanzexperte Christian Görke, das Vorgehen von Markov sei „maßvoll“, sei eine „Vorsichtsmaßnahme“. Und der SPD-Haushaltsexperte Mike Bischoff betonte: „Was wäre denn die Alternative? Augen zu? Scheuklappen? Keine Vorsorge - und dann im Dezember ein Nachtragshaushalt und neue Kredite?“ Meinung

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