zum Hauptinhalt

Brandenburg: Kahlschlag am Kanal

22 Bäume sind nun weg / Politiker und Bürger sind empört / Heute wird der Kanal teilweise freigegeben

Stand:

Berlin - Die letzte Verhandlung war nur noch Show – noch während im Kreuzberger Rathaus über die Rettung der Bäume am Landwehrkanal diskutiert wurde, rückten im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) zeitgleich in mehreren Bezirken die Fällkommandos an. 22 Bäume, überwiegend Pappeln und Kastanien wurden abgesägt – geschützt durch 150 Polizisten. Die Bürgerinitiative, die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte sowie die Umweltverbände Nabu und Bund reagierten empört. „Ich fühle mich hintergangen“, sagte der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne). Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) kritisierte es „als nicht nachvollziehbar, warum wir nicht informiert wurden“.

Der Leiter des WSA, Hartmut Brockelmann, begründete die Fällaktion gestern damit, dass die Bürgerinitiative „keine neuen Argumente mehr“ geliefert habe. Gegen 10 Uhr waren im Rathaus zwei Polizisten erschienen – wie sie sagten, um nachzusehen, „ob hier gegen die Fällungen demonstriert wird“. So erfuhr die Bürgerinitiative, dass die Sägen bereits kreischten. Brockelmann bestätigte darauf, „dass die Pappeln gerade gefällt werden“ – die Sitzung war zu Ende.

150 Polizisten waren im Einsatz, die Fälltrupps vor den befürchteten wütenden Protesten abzuschirmen. Wie berichtet hatten Aktivisten angekündigt, sich in den Bäumen festzuketten. Doch außer zwei Beleidigungen gegen Polizisten blieb es ruhig. Nach Polizeiangaben hatte das WSA bereits am Mittwochabend „um Amtshilfe ersucht“ – was die Bürgerinitiative besonders empörte.

Brockelmann begründete die Fällung mit „Gefahr im Verzuge“. Weiter sagte er, dass immerhin 19 der 41 bedrohten Bäume gerettet werden konnten. Wie berichtet, sollen die Wurzeln die Ufermauern schädigen. Mitte April war am Neuköllner Maybachufer ein Uferstück eingestürzt; zwei Wochen später war am Tempelhofer Ufer in Höhe des Technik-Museums ein Stück abgesackt. Taucher stellten fest, dass das gesamte Ufer marode ist. Im Mai hatte das Amt angekündigt, dass 200 Bäume wegmüssen und einen Proteststurm ausgelöst.

Nachdem die Gefahr nun nach WSA- Angaben beseitigt ist, soll heute der Kanal zwischen der Oberschleuse (gegenüber dem Osthafen) und dem Urbanhafen wieder freigegeben werden, kündigte Brockelmann an. Der gesamte Kanal soll „in den kommenden Tagen“ wieder geöffnet werden. Die betroffenen Reedereien wussten gestern Nachmittag noch nichts davon. Die Reeder hatten scharf gegen die Sperrung protestiert, weil dies die „wirtschaftliche Existenz“ gefährde.

Wie berichtet, war dem WSA vorgeworfen worden, die Sperrung willkürlich verfügt zu haben, um Druck aufzubauen – die Ausflugsreedereien waren die Leidtragenden. Der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele (Grüne) nannte die Amtsführung von WSA-Chef Brockelmann gestern „ungeheuerlich“. Er will beim zuständigen Bundesverkehrsministerium gegen das Amt protestieren.

Während in Kreuzberg und Neukölln nur einzelne Bäume fielen, ist am Reichpietschufer, zwischen Nationalgalerie und Bendlerblock, eine ganze Reihe Kastanien abgesägt worden. Für jeden gefällten Baum sollen – wiederum am Landwehrkanal – fünf neue gepflanzt werden. Die Rettung der Bäume koste den Bund 200 000 Euro, sagte der WSA-Chef. Weitere 70 000 Euro hätte die Rettung einiger weiterer Pappeln gekostet, das sei unvertretbar. Die 20 „geretteten“ Bäume sollen nun provisorisch mit Seilen zum Ufer hin gesichert werden, damit sie nicht umstürzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })