
© Thilo Rückeis
Flüchtlinge aus Berlin nach Brandenburg?: „Kein Abschiebe-Hinterhof Berlins“
In Brandenburg gibt es viele freie Plätze in den Flüchtlingsunterkünften, in Berlin sind 10.000 Flüchtlinge in 50 Turnhallen untergebracht. Der Brandenburger Landtag hat nun über die Aufnahme von Flüchtlingen aus Berlin debattiert. Eine Einigung rückt näher.
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Potsdam / Berlin - Nach fast einjährigem, teils chaotischem Krisenmanagement sind in Berlin noch immer knapp 10 000 Flüchtlinge in 50 Turnhallen untergebracht. Das war am Mittwoch nicht nur zum wiederholten Male Thema im Berliner Abgeordnetenhaus, sondern erstmals auch im brandenburgischen Landtag. Dort stand auf Antrag der Grünen das Angebot von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auf der Tagesordnung einer Aktuellen Stunde, als Nachbarschaftshilfe zeitweise Berliner Flüchtlinge in Brandenburg unterzubringen. Darüber verhandeln beide Senatskanzleien seit Wochen. Die nächste Runde ist für Anfang Mai angesetzt.
Wie nach dem bisherigen Verhandlungsstand eine Lösung aussehen könnte, skizzierte der Staatskanzleichef Rudolph Zeeb, ohne dabei allerdings konkrete Zahlen zu nennen. Dem Vernehmen nach geht es aber um etwa 1000 Gast-Flüchtlinge aus dem Berliner Kontingent. Er wies Vorwürfe der Grünen zurück, dass „Brandenburg der Abschiebehinterhof Berlins werden soll.“
Die Grüne-Abgeordnete Ursula Nonnemacher machte ihre Kritik daran fest, dass nach den bisherigen Planungen allein Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive aus Berlin nach Brandenburg gebracht werden sollen, und zwar im Erstaufnahmeverfahren. Das bestätigte Zeeb – und verteidigte es.
In Brandenburg sind viele Plätze in Erstaufnahme-Einrichtungen frei
Es handle sich bewusst nicht um Menschen aus Syrien, Eritrea oder dem Irak, für die eine schnelle Integration wichtig sei. „Wir wollen vermeiden, dass sie zwischen Berlin und Brandenburg hin- und herziehen müssen.“ Zeeb betonte, dass es allein um eine vorrübergehende Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes gehe, deren Kapazitäten Brandenburg seit letzten Sommer verdreifacht hatte. Von den inzwischen 5600 Plätzen sind dort aktuell nur 1600 Plätze belegt. Eine weitere Verteilung auch der „Berliner Flüchtlinge“ auf Städte und Gemeinden in Brandenburg, wie es die Grünen fordern, ist laut Zeeb rechtlich nicht zulässig und werde daher auch nicht geplant.
Brandenburg hat aber sein Hilfeangebot in einem anderen Punkt erweitert. Man habe Berlin jetzt den Hinweis gegeben, so Zeeb, dass es in Kreisen und Städten ungenutzte Möglichkeiten zur Unterbringung unbegleiteter, minderjähriger Flüchtlinge gebe. Darüber müsste Berlin nach den brandenburgischen Zuständigkeiten allerdings direkt mit den Kreisen verhandeln. Er habe kein Mandat, für die Kommunalebene zu verhandeln.
Zu wenig Flüchtlinge in den Landkreisen
Nonnemacher forderte, dass die Berliner Gastflüchtlinge auch in Städten und Gemeinden untergebracht werden sollten. „Bereits jetzt schlagen einige Landkreise Alarm, aber nicht aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen, sondern aufgrund der niedrigen!“ Sie verwies darauf, dass in Teltow-Fläming die Kosten für leerstehende Heime das größte Haushaltsproblem seien. Ähnlich äußerte sich die Linke Andrea Johlige. Allerdings müsse die Aufnahme von Berliner Flüchtlingen in den Kommunen auf freiwilliger Basis geschehen. Johlige kritisierte die EU-Politik, die Abschottung der Außengrenzen als „Verabredung zum Sterbenlassen.“ Statt Berlin würde sie lieber den Tausenden Kindern, Frauen und Männern helfen, die in Idomeni ausharren müssen, während hierzulande die Unterkünfte teilweise leer stünden.
Die CDU-Landtagsabgeordnete Barbara Richstein forderte die Landesregierung auf, anstatt Berlin offenbar als Wahlkampfhilfe für die dortige SPD Flüchtlinge abzunehmen, erst einmal Mängel in den eigenen Erstaufnahmen zu beseitigen. „Packen Sie das endlich an, statt wie bisher nur zu palavern.“ So war die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt durch einen Missbrauchsskandal erschüttert worden. „Frauen, Kinder und Familien brauchen besonderen Schutz“, sagte Richstein. Die Regierung sei in der Pflicht, dürfe sich nicht allein auf die interne DRK-Untersuchung verlassen.
Für die AfD erklärte der Abgeordnete Steffen Königer, seine Partei lehne die Übernahme von Flüchtlingen aus Berlin kategorisch ab. Dass jetzt weniger Flüchtlinge kämen, habe man dem entschlossenen Handeln Österreichs zu verdanken.
65 Flüchtlingsstandorte in Berlin
In Berlin wiederum hat die Senatsverwaltung für Finanzen nach monatelangen Diskussionen zwischen Senat und Bezirken eine neue Liste für 65 Flüchtlingsstandorte vorgelegt, mit der sich am Mittwoch der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses befasste. Angestrebt werde eine „gerechte Gesamtverteilung der unterzubringenden Menschen in der Stadt“, teilte die Finanzverwaltung mit. Auf 27 Grundstücken sollen Container aufgestellt und auf weiteren 38 Grundstücken mobile Unterkünfte (MUF) gebaut werden. (mit za und dpa)
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