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NSU-Ausschuss in Brandenburg: Kein Löschverbot für Neonazi-Akten im Justizressort
Nachdem Brandenburgs Staatsanwaltschaften Akten zum V-Mann Piatto vernichtet haben, beschloss der NSU-Untersuchungsausschuss ein Löschmoratorium. Doch die Landesregierung prüft noch. Im Justizressort ist Schreddern weiter möglich.
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Potsdam - Trotz Löschmoratorium auf Bundesebene und des vom NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags Brandenburg beschlossenen Vernichtungsstopps können im Justizministerium noch immer Akten mit Bezug zum Rechtsextremismus vernichtet werden. Das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Fraktion und des CDU-Obmanns Jan Redmann, der auch parlamentarische Geschäftsführer seiner Fraktion ist, hervor.
Den Angaben zufolge werden im Justizressort nur Aktenvorgänge gesichtet und nicht vernichtet, „die Personen betreffen, die in Zusammenhang mit dem NSU-Komplex bereits bekannt geworden sind“. Doch der Untersuchungsausschuss nimmt die gesamte Entwicklung des Rechtsextremismus in Brandenburg seit 1990 in den Blick und sucht auch bislang unentdeckte Verbindungen zum NSU-Mördertrio und anderen möglichen Terrorzellen.
Landesregierung hat rechtliche Bedenken gegen Löschmoratorium
Demnach können im Justizministerium also weiterhin Akten zum Rechtsextremismus geschreddert werden, obwohl der weit gefasste Untersuchungsauftrag des Landtags auch diese Unterlagen umfasst. „Ein allumfassendes Löschmoratorium begegnet nach einer ersten Abfrage rechtlichen Bedenken“, heißt es von der Landesregierung. Der Beschluss des Brandenburger Untersuchungsausschusses, alle Akten mit Bezug zum Rechtsextremismus vorläufig nicht zu vernichten, wird derzeit noch vom Chef der Staatskanzlei, Thomas Kralinski (SPD) geprüft.
Wie berichtet haben die Staatsanwaltschaften Potsdam und Frankfurt (Oder) die Ermittlungsakten zum V-Mann Carsten Szczepanski alias „Piatto“ geschreddert, nachdem diese vom zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages an die Brandenburger Behörden zurückgesandt worden waren. Der Untersuchungsausschuss des Landtags Brandenburg beschloss daraufhin Mitte Oktober einen Vernichtungsstopp.
Staatskanzlei prüft den Beschluss des Untersuchungsausschusses noch
Die Landesregierung prüft nun aber noch die Vorgaben des Ausschusses auf Kollisionen mit Gesetzesvorgaben. Derzeit liefen noch die Abstimmungen mit den Ressorts und dem Landeshauptarchiv, welche Gesetzesvorschriften "dem Beschluss dem durch Beschuss des Untersuchungsausschusses vorzusehenden Löschmoratorium entgegenstehen könnten", heißt es in der Antwort der Landesregierung auf die CDU-Anfrage.
Dass es auch angesichts der Dimension der NSU-Morde und der möglichen Verstrickungen auch der Brandenburger Behörden anders geht, zeigen andere Bereiche der hiesigen Sicherheitsbehörden: Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Vernichtung sämtlicher Akten ausgesetzt. Das Justizministerium hat die Haftanstalten immerhin "gebeten", die Unterlagen rechtsextremer Straftäter und Gefangener vorerst nicht zu vernichten, bis entschieden ist, "welche Akten für den Untersuchungsausschuss noch relevant sein könnten". Im Bereich des Innenministeriums wurde der Ernst der Lage offenbar schon frühzeitiger erkannt: Bei Verfassungsschutz und Polizei besteht ohnehin seit 2012 ein Löschmoratorium - als kurz nachdem der NSU-Skandal im November 2011 bekannt wurde.
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Das Justizministerium findet Knastakten und Registerbücher zu V-Mann Carsten Szczepanski, Deckname „Piatto".
Wusste Brandenburgs Verfassungsschutz doch mehr als bislang behauptet? Der NSU-Untersuchungsausschuss Brandenburg zweifelt massiv an der amtlichen Darstellung im Fall des V-Manns „Piatto“.
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