Brandenburg: Keine Forschung von großer Bedeutung
Die von Wissenschaftsministerin Kunst durchgesetzte neue Lausitz-Uni neue Lausitz-Uni muss auf die DFG-Mitgliedschaft warten
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Potsdam/Cottbus - Nach dem Vertrags- gerangel zwischen Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst und dem designierten Präsidenten der neuen Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg, Jochen Zimmermann, könnte noch ein weiteres Problem auf die Hochschule zukommen. Grund ist die auf Druck der rot-roten Landesregierung gegen allen Widerstand und gegen den Rat zahlreicher Experten und Gutachter durchgesetzte Fusion der Cottbuser Universität und der Senftenberger Fachhochschule zu einem neuartigen Hybridmodell. Dadurch schwinden nach PNN-Recherchen auf Jahre die Chancen, die neue Lausitz-Uni als wichtigen Forschungsstandort auszubauen. Kritiker lasten die Probleme an der BTU direkt Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) an, für die die Hochschulfusion ein Prestigeprojekt ihrer politischen Karriere ist.
Nach Informationen der PNN gibt es deutliche Verzögerungen bei der Aufnahme der Mitte vergangenen Jahres neu gebildeten BTU in die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Dort herrschen offenbar Zweifel am Erfolg der neuen Hochschule. In einem Schreiben der DFG vom 7. November 2013, das den PNN vorliegt, wird empfohlen, die Aufnahme mindestens drei Jahre aufzuschieben, um die Entwicklung der neuen Hochschule hinsichtlich der Aufnmahmekriterien der DFG sinnvoll einschätzen zu können.
Die DFG ist für die Vergabe von Drittmitteln für die Forschung zuständig, die für Universitäten von großer Bedeutung sind. Durch die Fusion in der Lausitz ist nun eine Fachhochschule in die neu gegründete Universität eingegliedert worden. Fachhochschulen sind grundsätzlich nicht Mitglieder der DFG. Von der Generalsekretärin der DFG, Dorothee Dzwonnek, war zu erfahren, dass die BTU gegenüber der DFG Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet hat. Es würden Vorgespräche zu der Frage stattfinden, wie und in welchem zeitlichen Rahmen eine Mitgliedschaft in der DFG erreicht werden kann. Derzeit sei aber kein formales Mitgliedschaftsverfahren anhängig. Nach der Satzung der DFG können Hochschulen Mitglieder in der Deutschen Forschungsgemeinschaft werden, wenn sie Forschungseinrichtungen von allgemeiner Bedeutung sind. Einzelne Mitglieder der BTU können unabhängig von der Mitgliedeschaft der Hochschule in der DFG Förderanträge stellen, eine Migliedschaft der Hochschule wäre hingegen eine grundsätzliche Bestätigung der Forschungsqualität an der BTU. Zur Frage der rechtlichen und organisatorischen Konstruktion der BTU wollte sich die DFG nicht äußern.
Der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator George Turner wertete die aktuelle Entwicklung für die neu gegründete Hochschule als gewaltigen Rückschritt. Wenn die Aufnahme in die DFG nun vor dem Hintergrund der Fusion ins Stocken gerate, sei das sehr bedenklich. Hinzu komme das Gerangel um den designierten Gründungspräsidenten. Sollte er tatsächlich nicht annehmen, werde „eine weitere Stagnation eintreten“, so Turner.
Tatsächlich würde der Rücktritt des designierten Präsidenten die ohnehin belastete Neustrukturierung der fusionierten BTU weiter verzögern. Mit etwa 10 000 Studenten ist die BTU die zweitgrößte Hochschule und die einzige Technische Universität in Brandenburg. Die Universität in der Lausitz war erst im vergangenen Jahr aus einer Fusion der früheren BTU in Cottbus und der FH Lausitz hervorgegangen. Das von Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) durchgesetzte Hybridmodell aus Universität und Fachhochschule ist äußerst umstritten. Gegner der Hochschulfusion starteten im vergangenen Jahr ein Volksbegehren, das jedoch scheiterte. Zudem gibt es verfassungsrechtliche Zweifel am Fusionsmodell, woraufhin das Land mögliche Risiken eingestand und Änderungen an der Gesetzesvorlage ankündigte, die der Landtag an diesem Mittwoch beschließen will. Hintergrund ist, dass durch die Fusion in den Gremien Universitäts- und FH-Professoren gemeinsam vertreten sind.
Zudem liegen Verfassungsklagen beim Landesverfassungsgericht in Potsdam und beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Kläger betrachten die Zwangsfusion als massiven Eingriff in die Tarifautonomie. Zwar wurden einstweilige Verfügungen gegen den Vollzug der Neugründung abgelehnt. Doch beide Gerichte in Karlsruhe und Potsdam bestätigten, dass durch die Fusion „Nachteile von Gewicht“ vorliegen.
Der stellvertretende Sprecher des Studierendenrates der BTU, Thomas Hoppe, hatte für die Ungereimtheiten an der Hochschule dem von Kunst geführten Wissenschaftsministerium in die Schuld gegeben. Dieses boxe seine Vorstellungen von Forschung und Lehre in Brandenburg mit „Haudrauf-Entscheidungen“ durch, sagte Hoppe.
Ausgangspunkt der Fusion war ein Gutachten von Uni-Experten zur Zukunft der Lausitzer Hochschulen. Die Gutachter monierten zahlreiche Schwächen der BTU, vor allem in der Forschung – was viele Professoren bereits als ungerecht empfanden. Die Gutachter forderten eine stärkere Zusammenarbeit von BTU und FH. Nur so könnten beide vor dem Hintergrund sinkender Bevölkerungszahlen in einer ohnehin strukturschwachen Region zukunftsfähig bleiben. Kunst ging mit ihrem Fusionsvorschlag dann sogar über die Empfehlungen hinaus, obwohl die BTU eigene Pläne für eine engere Zusammenarbeit mit der FH Cottbus vorlegt hatte. Nur eine gemeinsame Hochschule könne ein Angebot aus einem Guss machen, argumentierte die Ministerin. Sie sprach von einer „Hochschule neuen Typs“.
Fusionsgegner sehen die Hochschule chronsich unterfinanziert. Neben den vorgesehenen 66 Millionen Euro pro Jahr legte das Land noch einmal zehn Prozent drauf plus einen Ausgleich für Tarifsteigerungen. Für den Transformationsprozess reiche das aber nicht, kritisierte die BTU. Tatsächlich hatte ein weiteres Gutachten festgestellt, dass Brandenburg im bundesweiten Vergleich besonders wenig für seine Hochschulen ausgibt.
Für die Jungen Liberalen Brandenburg ist die derzeitige Situation an der BTU Cottbus-Senftenberg nicht mehr hinnehmbar. „Bisher erleben wir nur Stillstand, Intransparenz und Durcheinander“, sagte der Landeschef der Jungen Liberalen, Sascha Lademann. In den Wirtschaftswissenschaften sei noch kein einziger Lehrstuhl neu besetzt worden. Es gebe kaum Informationen über den aktuellen Entwicklungsstand. Die neu eingerichteten Pflege- und Gesundheitsstudiengänge liefen ebenfalls nicht optimal. Hinzu komme nun das Gezerre um den neuen Präsidenten. „Das ist kein holpriger Start mehr, sondern ein Fehlstart per Gesetz“, sagte Lademann. Der aktuelle Zustand könne langfristigen Schaden für die Hochschule nach sich ziehen: „Geld und Beton schaffen allein weder Forschung noch Innovationen. Wir brauchen klare Trennlinien zwischen Fachhochschulen und Universitäten.“
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