Von Alexander Fröhlich: Keine Stasi-Spitzel in Robe
Justizministerium: Alle aus dem DDR-Dienst übernommenen Juristen sind bis Ende 1991 umfangreich überprüft worden
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Potsdam – In der aktuellen Debatte um frühere Stasi-Mitarbeiter in Brandenburgs Sicherheitsbehörden hat das Potsdamer Justizministerium nun erstmals eigene Zahlen vorgelegt. An den Gerichten und in Staatsanwaltschaften dürften demnach heute keine früheren Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit mehr zu finden sein. „Das kann man ausschließen“, sagte der Sprecher des Potsdamer Justizministeriums, Thomas Melzer, den PNN.
Alle aus dem DDR-Dienst übernommenen Juristen seien bis Ende 1991 umfangreich überprüft worden. Grundlage dafür war ein von der ersten frei gewählten Volkskammer im Frühjahr 1990 erlassenes Richtergesetz.
Von den 298 Richtern, die in Brandenburg bis zur Wende im Dienst der DDR-Justiz standen, hätten sich zur Wiedervereinigung 242 neu beworben. Bei den Staatsanwälten waren es vormals 202, weiterhin beschäftigt werden wollten 166. „Man kann davon ausgehen, dass der Rest wegen erkennbarer Erfolglosigkeit davon abgesehen hat“, sagte Melzer. Insgesamt 129 Richter (42 Prozent) und 112 Staatsanwälte (55 Prozent) wurden schließlich übernommen. Diese Quoten liegen weit höher als in anderen Ost-Bundesländern, bei den Richtern wurde im Ost-Durchschnitt 38 Prozent übernommen, in Berlin nur elf Prozent. Bei den Staatsanwälten liegt der Schnitt bei 32 Prozent, in Berlin nur vier Prozent.
Laut Ministeriumssprecher Melzer sind die Juristen durch zwei Wahlausschüsse überprüft worden, der jeweils mit sechs Landtagsabgeordneten und vier Richtern oder Staatsanwälten besetzt war. Lag ein negatives Gutachten der Stasiunterlagenbehörde vor, wurden die Bewerber nicht in den Dienst genommen. „Es wurden harte Maßstäbe angelegt, wichtig war die objektive Amtswürdigkeit“, erklärte Melzer. „Wenn jemand argumentiert hat, er habe sich nur konform verhalten und geltendes DDR-Recht angewandt, dann ist er damit nicht durchgekommen. „Es ging darum, ob jemand aufgrund seiner Tätigkeit als Richter durch bestimmte Urteile oder als Stasi-Mitarbeiter des Amtes würdig ist.“ Dabei habe nicht nur das politische Strafrecht in der DDR eine Rolle gespielt, auch Arbeitsrichter seien betroffen gewesen, die etwa Entlassungen nach Ausreiseanträgen für rechtens erklärt hatten.
Allerdings seien die Fälle durchaus differenziert bewertet worden. Es habe unter den Richtern und Staatsanwälten hauptamtlich tätige Spitzel, aber auch „Offiziere im besonderen Einsatz“ gegeben, die unter einer Legende in Schlüsselpositionen des Staatsapparates eingeschleust wurden. Damit wollte die Stasi Einfluss bei staatlichen Entscheidungen wahren. „Es gab auch Fälle von Verpflichtungserklärungen, die Jahrzehnte lang zurücklagen, wie aus der Wehrdienst oder Studentenzeit, und die nur in geringem Maß oder gar nicht für das MfS tätig waren“, sagte Melzer. Bis hin zum Mitglied einer MfS-Schauspielgruppe, die aber nichts mit Spitzelei zu tun hatte.
Der Grund für den unterschiedlichen Umgang mit Stasi-Mitarbeiter in Brandenburgs Behörden waren fehlende Maßstäbe. Im Gegensatz zum Innenministerium ging die erste Bildungsbildungsministerin und heutige Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, recht rigide bei den Lehrern vor – und offenbar auch das Justizministerium. Allerdings konnte Sprecher Thomas Melzer keine Zahlen zu den Vollzugsbeamten in Gerichten und Haftanstalten vorlegen.
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