Von Thorsten Metzner: Keine Streichung des Kadaver-Privilegs
Rot-Rot lässt Umweltministerin Anita Tack auflaufen: Regierungschef Platzeck und die SPD geben der Agrar-Lobby nach
Stand:
Potsdam - Im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern haben Agrarbetriebe seit 1990 noch nie Subventionen aus der Landeskasse für die Entsorgung toter Milchkühe oder verendeter Lege-Hühner erhalten: In Brandenburg zahlt die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte rot-rote Regierungskoalition dagegen trotz beschlossener 50-Millionen-Kürzungen bei Bildung und Wissenschaft auch weiterhin solche Zuschüsse. Linke-Umweltministerin Anita Tack ist mit ihrer Gesetzes-Novelle, die eine Streichung des Privilegs (ab 2011) vorsah, jetzt im Landtag an der eigenen rot-roten Regierungskoalition gescheitert. Auslöser dafür war nach PNN-Interventionen hinter den Kulissen ein Machtwort von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der auf Druck der Agrar-Lobby damit vom eigenen Kabinettsbeschluss abrückte. Vorher war bereits Agrarminister Jörg Vogelsänger vom Kabinettsbeschluss abgerückt. Am Donnerstag verkündeten SPD und Linke im Landtag den „Kompromiss“, der zwar geringere Kadaver-Zuschüsse, aber in dieser Legislaturperiode kein Auslaufen der Förderung mehr vorsieht. Bislang teilen sich Land, Kreise und Agrarbetriebe die Kosten für die Tierkörper-Entsorgung zu je einem Drittel, wobei Brandenburg bisher pro Jahr rund 2,6 Millionen Euro zahlte. Ab Mai zahlen das Land 20 Prozent, die Kreise 20 Prozent, 60 Prozent übernehmen Tierhalter selbst. So wurde es im Agrar- und im Innenausschuss, die Stellungnahmen abgeben mussten, gestern mit rot-roter Mehrheit beschlossen.
Der Vorgang ist ein Novum für die rot-rote Koalition mit dem Linke-Finanzminister Helmuth Markov. Das erste Spargesetz eines Linke-geführten Ministeriums scheiterte am Widerstand der SPD, in deren Reihen sich Bauernpräsident und Abgeordneter Udo Folgart – agrarpolitischer Sprecher – massiv für das Privileg stark gemacht und die Landtagsfraktion hinter sich gebracht hatte. „Ich freue mich, dass es weder zu einem abrupten Ende, noch zu einem schrittweisen Auslaufen der Zuschüsse des Landes für Landwirte gekommen ist“, erklärte Folgart nun. Positiv äußerte sich auch der Geflügelwirtschaftsverband Brandenburg, der im Vorfeld ebenfalls interveniert hatte. Geschäftsführerin ist Anika Folgart, die Tochter von Udo Folgart: „Wir hätten gern die Fortführung der Drittel-Lösung gesehen. Der Kompromiss ist besser als der hundertprozentige Ausstieg“, sagte sie den PNN. „Es ist gut, dass sich die öffentliche Hand nicht komplett zurückzieht.“ Nach ihren Worten beuge man so auch schwarzen Schafen vor, die tote Tiere sonst womöglich illegal entsorgen würden.
Dabei hatte Tack in dem Gesetzentwurf mit der „Null-Lösung“ einen Kabinettsbeschluss umgesetzt. Im vom Landtag beschlossenen Haushalt 2011 sind keine Mittel geplant. Der Kompromiss sieht vor, dass 2011 und 2012 Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) die Hälfte zahlt, 2013 und 2014 zahlt er die Zuschüsse aus seinem Etat. Woher Vogelsänger das Geld nimmt, ist offen, ebenso, wo Tack die rund 1 Million Euro für 2011 abzweigt. „Das Parlament hat anders entschieden. Das habe ich zu akzeptieren. Nun muss ich nach einer Deckung suchen“, sagte Tack. Die Linken hatten sich zunächst in einem Fraktionsbeschluss der Landtagsfraktion, der nun obsolet ist, für die Streichung stark gemacht. Nun erklärten die Fach-Sprecher Marco Büchel und Egidius Luthardt, es sei ein „verträglicher Kompromiss“. Während Folgart von einer „unbefristeten“ Regelung sprach, sagte Linke-Agrarausschuss-Chefin Kornelia Wehlan: Es gelte in dieser Legislaturperiode, dann werde es bei neuen Koalitionen „neu verhandelt“. Für die FDP ist es eine „Notlösung“, die Union hatte sich für die Fortsetzung des Privilegs stark gemacht. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte: „Herr Folgart als Investition der Bauern in die SPD hat sich ausgezahlt.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: