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Brandenburg: Kerosin im Anflug
Das Oberverwaltungsgericht entscheidet zur Flugroute über den Müggelsee. Am Ufer steht das Wasserwerk Friedrichshagen. Mögliche Negativfolgen des Flugbetriebs auf das Trinkwasserschutzgebiet wurden auf politischen Druck nicht untersucht
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Berlin - Erst Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen der Kraniche, und jetzt mögliche Gefahren für Berlins Trinkwasser: Nach der gekippten „Wannsee-Route“ gerät die „Müggelsee-Route“ des Hauptstadt-Flughafens ins Wanken. Über die entscheidet das Oberverwaltungsgericht (OVG) kommende Woche. Im Verfahren sind nunDokumente aufgetaucht, die entscheidend für den Ausgang sein können. Nach den den PNN vorliegenden Unterlagen aus Senat und dem Bezirk Treptow-Köpenick wurden mögliche Negativ-Auswirkungen des Airports für die Trinkwasserversorgung von rund einer Million Berliner trotz Warnungen der Umweltbehörden nicht ausreichend untersucht. Und zwar offenbar aufgrund einer Weisung durch einen Senator im Jahr 2000.
Für den Prozess relevant ist, dass die damals noch geraden BER-Flugrouten am Müggelsee vorbeiführten, wenn auch knapp. Die aktuelle abgeknickte Route aber, über die das OVG urteilt, verläuft sogar direkt über den See. „Insofern ist bemerkenswert, dass den erheblichen wasserwirtschaftlichen Bedenken der Fachbehörden des Landes Berlin die geradeaus verlaufenden Flugverfahren zugrunde lagen. Hieraus ergibt sich, dass derartige Bedenken erst recht bei den nun festgelegten Flugverfahren hätten geprüft werden müssen“, heißt es in der Klage, formuliert von der Würzburger-Kanzlei Baumann. Die vertritt auch in der Bürgerinitiative „Friedrichshagen“ engagierte Anwohner. Die warnt schon länger vor negativen Folgen für das Berliner Trinkwasser durch den BER.
Am Müggelsee steht nämlich das Wasserwerk Friedrichshagen. Ein Viertel des Berliner Trinkwassers wird hier gewonnen, als sogenanntes Uferfiltrat aus Spreewasser. Es ist Trinkwasserschutzgebiet. Verschmutzungen, etwa durch Abgase, abgelassenes Kerosin, Unfälle oder Notlandungen, könnten extreme Folgen haben. Deshalb hatte schon am 15.Juni 2000 die Fachabteilung des Senats für Stadtentwicklung und Umweltschutz im Entwurf für die Stellungnahme zum BER-Planfeststellungsverfahren formuliert: „Insoweit ist es nicht tolerierbar, dass das Wasserschutzgebiet Friedrichshagen mit Landflächen und dem Müggelsee überflogen wird.“ Das Veto fehlte aber in der Endfassung vom 7.7.2000, die an Brandenburg geschickt wurde. Im August 2003 bemerkte das ein Fachbeamter und erkundigte sich beim „Generalreferat“ (GenRef – die Redaktion) des Senats, „warum die fachlichen Kernaussagen unserer Zuarbeiten keine Berücksichtigung“ gefunden hatten. Er erhielt eine Auskunft, die er für so schwerwiegend hielt, dass er sie dokumentierte. Nach seinem Vermerk wurde ihm „folgendes telefonisch mitgeteilt“, Zitat: „Der Senat Berlin will den Flughafenausbau in Schönefeld. Um dem Land Brandenburg keinen Grund zu geben, dass Berlin mit technischen Feststellungen und Forderungen als Behinderer wirkt, darf GenRef auf Weisung des Senators keine derartigen schriftlichen Aussagen zum Grundwasserschutz weiterleiten.“ Deshalb habe der Satz zum Müggelsee „keine Berücksichtigung“ gefunden. Stadtentwicklungssenator war damals Peter Strieder (SPD), der am Freitag nicht erreichbar war. Der Beamte notierte jedenfalls dazu: Die „Nichtweitergabe der Informationen“ sei „mehr als bedenklich“. Denn Berlin wolle die Kapazitäten des Wasserwerkes Friedrichshagen sogar weiter erhöhen. „Nach meiner Auffassung sind gerade im Zusammenhang mit dieser Kapazitätserweiterung wesentlich intensivere Untersuchungen für mögliche Gefahren einer Kontamination im südöstlichen Großraum von Berlin und der dort vorhandenen Wassererfassungen erforderlich (z.B. Katastrophenfall .... Kontaminierung der Oberflächengewässer und der Böden.)“ Das ist nicht das einzige Dokument. Auch das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat mehrfach, etwa 2002, weitergehende Umweltprüfungen gefordert. Zitat: „Die Auswirkungen der vom Flughafenbetrieb ausgehenden Schadstoffeinträge aus der Luft (Stickoxide, toxische und krebserregende Stoffe) auf die Oberflächengewässer und letztlich auf das Uferfiltrat sind zu untersuchen und aufzuzeigen.“ Und: „Man kann nicht oft genug erwähnen, dass alle Gefahrenpotenziale ausgeschlossen werden müssen, welche die Trinkwasserversorgung Berlins gefährden könnten.“ Alles vergeblich, und alles geschah noch unter der Prämisse gerader Flugrouten, die nicht direkt über den Müggelsee führten. Die Problematik dürfte damit ähnlich wie beim Forschungsreaktor am Wannsee sein. Dort hatte das OVG die Route gekippt, weil Auswirkungen um den Reaktor nicht geprüft worden waren.
Die Anwälte des für die Flugrouten zuständigen Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung (BAF) haben jüngst noch versucht, eine Verschiebung der OVG-Verhandlung um einige Monate zu erreichen. Begründet mit dem EU-Verfahren zu den Vogelschutzgebieten, aber auch der Berliner Trinkwasserproblematik. Inhaltlich will sich die Behörde nicht zur Müggelseeroute äußern. Sprecherin Kerstin Weber sagte: „Wir warten die Gerichtsverhandlung ab.“
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