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Spielstunde. Anny (r.) und Elisa (beide 3) mit dem 98-jährigen Alfred Pohlmann.

© Doerthe Hagenguth/Awo/ddp

Von Beatrice George: Kinder im Seniorenheim

In der Stadt Brandenburg betreut die Arbeiterwohlfahrt knapp 60 Kinder und Rentner unter einem Dach – zum Vorteil aller

Stand:

Brandenburg/Havel - Auf dem Weg in ihre Kindergartengruppe in der Stadt Brandenburg begegnen Janek und Jasmin täglich „Oma“ Schmidt und „Opa“ Pohlmann. Die beiden Senioren wohnen nur wenige Türen weiter am anderen Ende des Korridors im einzigen Seniorenheim mit integriertem Kindergarten im Land Brandenburg. Der Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der in der Havelstadt insgesamt 350 Kinder und 100 Senioren in verschiedenen Einrichtungen betreut, betreibt die intergenerative Gruppe „Glücksmomente“ seit Anfang 2006.

Seither werden 15 Kindergarten-Kinder in zwei Gruppenräumen im Seniorenheim „Am Wasserturm“ betreut, wo derzeit 44 Rentner wohnen. Das hat laut AWO für Jung und Alt Vorteile. „Die Kinder lernen Toleranz gegenüber der älteren Generation, und die Senioren leben im Umgang mit den Kleinen auf“, beschreibt Kita-Leiterin Martina Thiele das tägliche Miteinander auf dem Flur oder im Freigelände sowie bei den wöchentlichen Zusammenkünften mit pädagogischen Angeboten.

Dabei ist allerdings Sensibilität geboten. „Wir müssen allen Rückzugsmöglichkeiten offen halten, damit sich niemand überfordert fühlt“, sagt Sozialarbeiterin Roswitha Brüll, die als Leiterin des Seniorenwohnheimes sozusagen „Schnittstelle“ zwischen Alt und Jung ist. Zudem müsse darauf geachtet werden, dass Kinder und Rentner bei ansteckenden Krankheiten wie Erkältungen keinen Kontakt haben. „Das Immunsystem der Senioren ist nicht mehr so leistungsfähig wie bei den Kleinen“, erläutert Brüll. Personal werde durch die gemeinsame Unterbringung in einem Haus nicht gespart. Jede Altersgruppe benötige ihre Fachbetreuer. Auch gekocht wird doppelt: Es gibt kindgerechtes Essen und Diät-Kost für Senioren.

Beim gemeinsamen Spielen finden die Generationen jedoch problemlos zueinander. Kita-Erzieherin Angelika Körthe macht sich mit fünf Kindern auf den Weg zum Aufenthaltsraum der Senioren. Janek und Ole tragen Puzzle-Spiele, und die kleine Jasmin schnappt sich ein Angelspiel. Im Aufenthaltsraum herrscht Stille. Die Senioren, von denen einige demenzkrank sind, hängen ihren Gedanken nach. Rentner Alfred Pohlmann blättert in der Zeitung.

Ohne Scheu und Berührungsängste laufen die Kinder zu den Tischen und packen ihre Spiele aus. Jasmin drückt Seniorin Gertrud Schmidt ihre Spielangel in die Hand und hilft ihr, mit dem Magneten am Ende der Schnur Holzfische zu angeln. Wenig später probiert sich auch Rentner Helmut Jerichow im Angeln. Alfred Pohlmann legt die Zeitung aus der Hand und zieht mit Hilfe von Janek unter einem lautstarken „Hau Ruck“ ebenfalls einen Holzfisch zu sich hinüber.

Das Konzept geht nach Angaben von Brüll auf. Wenn auch nur für 20 bis 30 Minuten am Stück. „Dann ist bei Kindern und Senioren in der Regel Ende der Konzentrationsspanne“, sagt Brüll. Jeder kann solange mitmachen, wie er will - alle Angebote seien freiwillig.

„Bislang gibt es deutschlandweit nach unseren Informationen kein weiteres solches Angebot“, sagt Ursula Schwinning, die Geschäftsführerin der zuständigen AWO-Sozial-Servicegesellschaft.

Einige vergleichbare Einrichtungen beherbergen Kitas und Altenheime auf einem Gelände, aber bislang nicht unter einem Dach. Pfleger, Erzieher, Kinder und Senioren bilden so in Brandenburg/Havel eine Art „Drei-Generationen-Großfamilie“, die in der heutigen Zeit in Deutschland selten zu finden sind, heißt es im AWO-Betreuungskonzept.

Beatrice George

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