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Brandenburg: Kino zum Kosten

Lea Linster zelebriert Süßes zu „Babettes Fest“, Christian Lohse Blutwurstsuppe zu „Das große Fressen“: 13 Spitzenköche mit 14 Michelin-Sternen ließen sich für ein Buch von kulinarischen Filmen inspirieren

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Eigentlich ist der Film „Food Inc.“ sehr geeignet, einem gründlich den Appetit zu verderben. Er handelt von den Sünden der Lebensmittelindustrie an Tier und Mensch. Starkoch Tim Raue ließ sich nicht verschrecken, sondern inspirieren zu einem Gericht, das ganz ohne Grausamkeiten an Tieren auskommt, dazu köstlich schmeckt und dem Menschen richtig guttut: Eintopf von Kürbis, Möhren und Ingwer mit weißen Bohnen.

Diesen Eintopf kochte er auch anlässlich der ersten großen Präsentation des Buches „Filmrezepte“ in seinem Zweitrestaurant „La Soupe Populaire“ in der Bötzow-Brauerei. Das große goldene Buch, das möglichst wenig Spritzer abbekommen möchte, vereint Menüs von 13 Spitzenköchen mit insgesamt 14 Michelin-Sternen, die sich von kulinarischen Filmen inspirieren ließen.

Die Idee dahinter wird gleich eingangs erklärt. Die Leser, bestenfalls Cineasten, Gourmets und begnadete Hobbyköche in Personalunion, sollen mithilfe des Buches zu Gastgebern von Filmdinners werden. Erst soll man sich gemeinsam einen Film anschauen, dann das Dinner genießen, das davon inspiriert ist. Diese Reihenfolge hat freilich den Nachteil, dass die Gäste mit knurrendem Magen und also womöglich etwas ungeduldig den Film gucken oder sich mit Amuse-Bouches den Appetit verderben, während der Gastgeber in der Küche schuftet und an gemeinsamen Filmgenuss nicht mal denken kann. Für den Hausgebrauch empfiehlt sich also wohl eher die umgekehrte Reihenfolge: Erst verputzt man gemeinsam das Abendessen, und anschließend, während in der Küche die Spülmaschine leise surrt, freut man sich gemeinsam an „Babettes Fest“, dessen sich die große Luxemburgerin Lea Linster angenommen hat, oder an „Big Night – Nacht der Genüsse“, für die sich Michael Kempf vom Facil „Lachsfilet im Strudelblatt mit Rotweinspinat und Safransabayon“ ausgedacht hat. Christian Lohse vom „Fischers Fritz“ nahm sich beherzt „Das Große Fressen“ vor und beginnt sein Menü mit „Fetter Blutwurstsuppe mit Spitzkohl“. Bobbi Bräuer verpasste zu Ehren des Films „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ seiner Lotte einen Schwips mit Weißwein.

Weinempfehlungen gehören wie flotte Sprüche zu jedem Rezept. Fotos, die zeigen, wie so was am Ende aussehen kann, wenn wirklich alles klappt, stammen von Jörg Lehmann, der normalerweise für Feinschmecker-Magazine arbeitet.

Sonja Frühsammer ließ sich von „Kochen ist Chefsache“ unter anderem zu Karamellmousse mit Blätterteig und geschmorten Äpfeln inspirieren. Als es im Gespräch mit den Autoren, dem Filmemacher Thomas Struck und der Drehbuchautorin Karin Laudenbach um die Frage ging, ob es eigentlich schwer sei, die Rezepte nachzukochen, antwortete Frühsammer cool: „Für mich nicht.“ Am Ende einigte man sich auf die Definition: „Man kann die Rezepte in jeder normalen Küche nachkochen, man braucht nur Konzentration und etwas Zeit.“ Dazu passte noch ein guter Spruch: „Ein Verstandesmensch, der nicht genießen kann, ist ungenießbar.“

Und schon war die Überleitung geschaffen über den Homo sapiens und Kant zu Tim Raues berühmten Königsberger Klopsen, die es als Nachahmung inzwischen auf bald jeder halbwegs ambitionierten Speisekarte der Stadt gibt, im Original aber nur „Auf Bötzow“.

Das Eintopf-Rezept in dem goldenen Buch, das sich als Geschenk für Kinogänger prachtvoll eignet, ziert übrigens ein Spruch von Michel Pollan: „Esse nichts, was deine Großmutter nicht als Lebensmittel erkannt hätte.“ Passt zu „Food Inc.“ und der gruseligen Enthüllung, dass sich in einem Hamburger Anteile von 1000 Rindern befinden können. Dann schon lieber ehrliche Klopse.

Filmrezepte. 25 Menüs inspiriert von den schönsten kulinarischen Filmen.

Thomas Struck, Karin Laudenbach. Leinen, 192 Seiten. Callwey Verlag, 39,95 Euro

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