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Brandenburg: Kirche in der Mitte der Gesellschaft

Brandenburg feiert im September den Höhepunkt des Reformationsjubiläums. Polens Außenministerium sagt Schirmherrschaft ab

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Potsdam - Kurz vor dem Höhepunkt des brandenburgischen Festjahres zum 500. Reformationsjubiläum haben Land und evangelische Kirche die aktuelle Bedeutung der historischen Umbrüche gewürdigt. Die Kirche spiele bei der Vermittlung grundlegender Werte wie Toleranz weiter eine wichtige Rolle und gehöre „in die Mitte der Gesellschaft“, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch in Potsdam.

Höhepunkt des Jubiläumsjahres ist eine gemeinsame Festveranstaltung von Landesregierung und Evangelischer Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am 7. September in der Potsdamer Nikolaikirche, bei der der Ministerpräsident die Festrede hält. Das Land hat die verschiedenen Vorhaben zum 500. Reformationsjubiläum nach Angaben der Staatskanzlei seit 2011 mit rund 1,8 Millionen Euro gefördert.

Zentrales Thema der reformatorischen Theologie sei die Idee der Freiheit des Menschen, die mit der Verpflichtung zum Handeln für das Gemeinwohl verbunden sei, betonte Bischof Markus Dröge. Martin Luther (1483 – 1546) habe seinerzeit diese Freiheitsidee „unüberholbar genial“ formuliert. Dieses Denken habe bis heute eine entscheidende Bedeutung für das Land, sagte der Bischof. Deshalb passe auch „die Botschaft der Reformation in unsere Zeit“.

In Brandenburg sei die Reformation seinerzeit statt mit Gewalt „pragmatisch und weise“ mit der Bemühung um moderate Neuerungen und die Bewahrung von Traditionen eingeführt worden, sagte Dröge: „Das hat das Land Brandenburg geprägt.“ Die Reformation habe unter anderem den Weg für religiöse und weltanschauliche Vielfalt geebnet und das Bildungswesen für Mädchen und Jungen sowie die Hilfe für Kranke und Behinderte „auf eine neue Grundlage gestellt“, so Dröge. Das Jubiläumsjahr trage dazu bei, „die Geschichte unseres Landes besser zu verstehen und Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen“, betonte Woidke.

Die Resonanz auf das Jubiläumsjahr erlebe er nicht nur innerhalb der Kirche als sehr positiv, sagte der Bischof. Ziel sei gewesen, die kirchliche Botschaft „neu zum Leuchten zu bringen“. Dadurch werde auch für kirchenferne Menschen und überzeugte Atheisten ein anderer Blick auf das Christentum möglich gemacht.

Dass Luther unter anderem mit seiner Freiheits-Schrift vor rund 500 Jahren „einen Nerv der Zeit getroffen“ habe, werde auch in der großen Jubiläumsausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte aufgegriffen, sagte Direktor Kurt Winkler. Die Ausstellung „Reformation und Freiheit“ wird am 7. September eröffnet und ist bis zum 21. Januar zu sehen.

Die Ausstellung widmet sich den religiösen und gesellschaftspolitischen Umwälzungen durch die kirchliche Erneuerungsbewegung und der „Sprengkraft der reformatorischen Glaubensinhalte“. Sie nehme in fünf Kapiteln in den Blick, was Menschen im Herzogtum Preußen und in der Mark Brandenburg einschließlich der Neumark mit dem Begriff der „Freiheit“ verbanden. Damit nehmen die Macher der Ausstellung Bezug auf Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ von 1520. Sie habe einst seine Zeitgenossen elektrisiert und sei zum meistgedruckten Buch des 16. Jahrhunderts geworden. In dem Text wandte sich Luther gegen den Allmachtsanspruch kirchlicher und weltlicher Obrigkeiten und erhob die Bibel zur Alleinautorität über das Gewissen eines jeden Christen. Den freien Menschen beschrieb der Theologe dort als „freien Herrn“ und „dienstbaren Knecht“ zugleich. Dieses ambivalente Freiheitsverständnis sei schnell zum Motor für Aufbruch, Rebellion und Reformen mit großer politischer und sozialer Sprengkraft geworden.

Zu den herausragenden Exponaten der Ausstellung zählen den Angaben zufolge zwei Bände der kostbaren „Silberbibliothek“ Herzog Albrechts von Preußen, des ersten evangelischen Landesherrn Europas, und die einzige überlieferte Zeichnung, die Lucas Cranach der Ältere von Martin Luther anfertigte. Sie entstand um 1532 und kommt als Leihgabe aus schottischem Privatbesitz.

Zu sehen ist auch der Trostbrief Luthers an Kohlhase mit der Aufforderung, den bewaffneten Widerstand gegen die Obrigkeit einzustellen. Heinrich von Kleist griff das Thema später in seiner 1810 veröffentlichten Novelle „Michael Kohlhaas“ auf. Die Exponate der Ausstellung stammen aus Museen, Bibliotheken, Archiven, Privatsammlungen und Kirchen des In- und Auslands. Eine interaktive „Freiheitswerkstatt“ biete in der Ausstellung zudem Raum und Anregungen für die Auseinandersetzung mit der Frage, wie wirksam und aktuell Luthers Freiheitsideen heute noch sind, hieß es weiter.

Überschattet wird das brandenburgische Kulturprogramm zum 500. Reformationsjubiläum von der politischen Situation in Polen. Die länderübergreifende wissenschaftliche Kooperation bei der Vorbereitung der Ausstellung sei zwar „überwältigend“ verlaufen, sagte Kuratorin Ruth Slenczka. Auf politischer Ebene sei es jedoch „nicht ganz so einfach“ gewesen. Zunächst sei eine gemeinsame Schirmherrschaft des deutschen und polnischen Außenministers geplant gewesen. Aus Polen sei dann jedoch „nach langem Vorlauf eine schnöde Absage“ gekommen. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) bleibe hingegen Schirmherr. Thema der Ausstellung sind die Folgen der von Luther angestoßenen Erneuerungsbewegung für Brandenburg und Preußen. Einige wichtige Exponate der Ausstellung kommen aus Polen.(edp)

Yvonne Jennerjahn

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