Brandenburg: „Kleine Pflaster heilen nicht die große Wunde“
Zwar gibt es von Opposition und Gewerkschaft Lob für Woidkes Nachbesserungen bei Polizeireform – aber Abbau von 1900 Stellen bleibt in Kritik
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Potsdam - Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) drückt bei der umstrittenen Polizeireform aufs Tempo: Am Donnerstag verkündete Woidke im Fachausschuss des Landtages die mit Spannung erwartete Entscheidung, wie die Polizeistrukturen im Land ab 1.1.2012 aussehen sollen. Zwar hält er am von seinem Vorgänger Rainer Speer (SPD) beschlossenen Abbau von 1900 der 8900 Stellen bei der Polizei bis zum Jahr 2020 fest. Trotzdem macht Woidke weitere Zugeständnisse zu Gunsten ländlicher Regionen. So soll entgegen bisherigen Plänen keine der heutigen 50 Vollzeit-Polizeiwachen als Dienststelle komplett geschlossen werden. Stattdessen soll es landesweit 16 rund um die Uhr besetzte Polizeiinspektionen geben. Aus allen anderen Wachen werden aber „Polizeireviere“, die für den Bürger allerdings nur noch tagsüber geöffnet werden sollen. Sie sollen von der Polizei, je nach Lage und Bedarf, dennoch rund um die Uhr genutzt flexibel werden, betonte Woidke. Die bislang beabsichtigte Schließung der Dienststellen in Wittenberge, Rheinsberg, Angermünde und Zossen ist vom Tisch. Eine Besetzung rund um die Uhr koste über all einen Streifenwagen, der vor Ort besser für Sicherheit sorge, so Woidke.
Auch in zwei weiteren Punkten weicht Woidke von Empfehlungen des Aufbaustabes ab: So soll die Polizei der Uckermark künftig von der Polizeidirektion Ost mit Sitz in Frankfurt (Oder) und nicht von der Nord-Direktion aus Neuruppin geführt werden. Im Havelland wird die Wachstumsstadt Falkensee und nicht das schrumpfende Nauen Sitz der Polizeiinspektion. Bei der Zahl der Streifenwagen gebe es keinerlei Abstriche, auch nicht beim Wach- und Wechseldienst, betonte Woidke. Und Brandenburg werde auch künftig gemessen an der Bevölkerung die meisten Revierpolizisten haben, nämlich in den ländlichen Regionen einen auf 3000 Einwohner.
Die Reaktionen auf die Entscheidung von Woidke, die er drei Wochen früher als geplant fällte, sind kontrovers. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte sich anerkennend, dass Woidke mit dem Erhalt aller Standorte als Reviere eine Kernforderung der Volksinitiative gegen die Polizeireform aufgegriffen habe, bei der über 90 000 Unterschriften gesammelt worden waren. Auch die Uckermark-Zuordnung zur Oder–Direktion, die Woidke mit der nötigen einheitlichen Bekämpfung der Grenzkriminalität begründete, sei richtig, betonte GdP-Landeschef Andreas Schuster. Ähnlich äußerte sich der FDP-Innenexperte Hans-Peter Goetz: „Das ist fachlich fundiert.“
Allerdings kollidiert genau diese Entscheidung mit Interessen der Brandenburger Justiz, weil sie nicht den Plänen von Justizminister Volkmar Schöneburg zur Neuordnung der Landgerichtsbezirke entspricht. Dabei sei die Vereinheitlichung der Polizei- und Justizstrukturen ein Hauptargument für die Polizeireform gewesen, kritisierte der SPD-Abgeordnete Manfred Richter aus Rheinsberg. Der Chef der Neuruppiner Staatsanwaltschaft Gert Schnittcher reagierte bereits mit „Bestürzung“ auf die Ankündigung und warnte vor negativen Folgen.
Bei Opposition und Polizeigewerkschafen bleiben Zweifel, ob mit 1900 Polizisten weniger tatsächlich genügend Sicherheit gewährleistet werden kann. Der CDU-Innenexperte Sven Petke sprach mit mit Blick auf die Zugeständnisse Woidkes von einer „halben Rolle rückwärts“, dennoch „werden die kleinen Pflaster die großen Wunden nicht heilen können.“ Der Stockfehler bleibe der Abbau jeder fünften Stelle bei der Polizei und der damit verbundene Rückzug aus der Fläche. „Es ist keine Reform, es ist ein Personalabbaukonzept“, sagte auch Goetz. Allerdings hofft die Gewerkschaft der Polizei, dass bei den 1900 Stellen das letzte Wort „vielleicht doch noch nicht gesprochen ist“, so Schuster. Aufmerksam wird registriert, dass Woidke bereits eine Evaluation der neuen Polizeistrukturen für das Jahr 2014 angekündigt hat, dem Jahr der nächsten Landtagswahl.
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