Brandenburg: Klubchef unter Missbrauchsverdacht
Einschlägig verurteilter Mann arbeitete fünf Jahre bei Jugendeinrichtung in Velten
Stand:
Velten/Berlin - Wenn Stummheit grassieren, ansteckend sein kann, dann tut sie es derzeit in Velten, nordwestlich vor den Toren Berlins. Der Auslöser ist immer der selbe: Der Name von Michael W., dem Mann, der bis zum Juni Leiter des einzigen Jugendklubs der Kleinstadt war und der seit vergangenem Mittwoch in Berlin wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen in Untersuchungshaft sitzt.
Michael W., 42 Jahre alt, wohnhaft in Berlin-Staaken ist einschlägig wegen Missbrauchs von minderjährigen Jungen vorbestraft durfte in Velten trotz seiner Vorgeschichte fünf Jahre lang einen Jugendklub leiten. Nun wird erneut gegen ihn ermittelt. Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Berliner Staatsanwaltschaft werfen ihm sexuelle Nötigung sowie Herstellung und Verbreitung von Kinderpornographie vor. Dies bestätigte gestern der Berliner Justizsprecher Michael Grunwald auf Anfrage.
Nach PNN-Informationen soll Michael W. vor etwa sechs Jahren einen damals 13-jährigen Jungen sexuell missbraucht haben. Über die Ermittlungen zu den Kinderpornos sind die BKA-Beamten offenbar auf das damalige Opfer gestoßen, das nun sein Schweigen gebrochen hat. Der Haftbefehl, der gegen Michael W. erlassen wurde, habe allerdings nichts mit der Arbeit im Jugendclub zu tun, sagte Justizsprecher Grunwald. Das geschädigte Kind sei kein Besucher der „Oase“ gewesen. Ob W. auch andere Fälle angelastet werden müssen, werde noch geprüft, hieß es aus Ermittlerkreisen.
Schon seit Mai laufen die Ermittlungen zum Verdacht des sexuellen Missbrauchs gegen W. Seit Juni ist er weg aus Velten. Warum sie den Leiter ihres Vorzeige-Jugendklubs aus dem Amt nahm, dazu schwieg sich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) OberHavelland monatelang eisern aus. Weder der Stadt, noch seinem AWO-Landesverband teilte der regionale Sozial-Dienstleiter etwas über die genauen Gründe mit. Und auch nun, da W. in Haft sitzt, schweigt sich die Geschäftsstelle der AWO-OberHavelland aus. Kein Kommentar, kein Wort, nichts – nicht zu den Medien, nicht zu den Jugendlichen vor Ort, nicht der Stadt, die den Klub finanziell unterstützt, und selbst nicht den eigenen Gremien gegenüber.
Auch die Stadt hatte gestern auf Anfrage nichts zu sagen, zu den Vorwürfen gegen den einstigen Leiter der einzigen Jugendeinrichtung im Ort. Dabei ist unklar, wie Michael W. mit seiner Vorgeschichte überhaupt vor fünf Jahren an die Stelle des Jugendheim-Leiters gelangen konnte. Bereits 1998 wurde der Berliner zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs in mehreren Fällen verurteilt. Damals habe es auch die Bewährungsauflage gegeben, dass er Kontakt zu Kindern und Jugendlichen zu meiden habe, hieß es gestern. Doch mit dem Ablauf der Bewährungsstrafe galten auch die Auflagen nicht mehr. Und erst im Jahr 2001 hat W. seine Tätigkeit als Leiter der „Oase“ begonnen.
Erst seit kurzem müssen sich die Arbeitgeber im Kinder- und Jugendbereich bei Neueinstellungen die Führungszeugnisse von Bewerbern vorlegen lassen. Als W. in Velten von der AWO eingestellt worden ist, galt diese Pflicht zwar noch nicht, aber viele Arbeitgeber taten es trotzdem. Wie die AWO-OberHavelland verfuhr, blieb gestern unbeantwortet. Ebenso die Frage, ob man sich bei alten Arbeitgebern erkundigt hatte – etwa in Berlin-Spandau. Vor elf Jahren arbeitete Michael W. dort im Jugendfreizeitheim „Villa Hakenfelde“ und absolvierte ein Praktikum zur staatlichen Anerkennung als Sozialarbeiter.
Waren W.s Vorleben und Vorlieben in Velten und bei der AWO bei seiner Einstellung noch unbekannt, so gab es aber im Jahre 2002 erste Hinweise. Damals wurde gegen W. wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von minderjährigen Jungen ermittelt. Die Ermittlungen mussten zwar mangels Beweisen eingestellt werden – aber verborgen blieb der Fakt nicht. „Wir haben davon gehört“, so ein ehemaliger AWO-Mitarbeiter.
Da W. seinerzeit nichts nachgewiesen werden konnte, blieb er Chef des Jugendklubs und konnte weiterhin regelmäßig mit den Jugendlichen in die Saunalandschaft ins nahe Oranienburg fahren. Selbst im Hochsommer, bei 30 Grad Celsius, ging der Betreuer nach Aussage sowohl von Sauna- als auch Jugendklub-Mitarbeitern mit den Kindern schwitzen. Einen Lokalzeitungsbericht mit Foto von einem solchen Saunagang stellte er stolz ins Internet – auf eine als FKK-Ratgeber getarnte Seite, auf der immer wieder unter bestimmten Rubriken Kinder-Nacktfotos dargeboten werden. Ob diese Internet-Seiten ebenfalls Teil der Ermittlungen gegen W. sind, wollte die Staatsanwaltschaft Berlin gestern nicht kommentieren. Tanja Buntrock/Peter Tiede
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: