Braunkohle in Brandenburg: Kohlelobby aus Rathäusern vertrieben
Das ging nach hinten los: Weil Unterschriften in Lausitzer Amtsstuben gesammelt wurden, könnten die Pläne für den Braunkohletagebau Welzow-Süd II vor Gericht landen und scheitern.
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Potsdam - Im politischen Dauerstreit zur Zukunft der Braunkohle in der Lausitz müssen sich Kommunen bei Unterschriftensammlungen neutral verhalten. Mehrere Gemeinden und ein Landkreis in Brandenburg und Sachsen haben nach Protesten Sammelboxen des Vereins „Pro Lausitzer Braunkohle“ für Stellungnahmen zum Beteiligungsverfahren über den vom Energiekonzern Vattenfall geplanten Braunkohletagebau Welzow Süd II aus den Amtsstuben entfernt. Das geht aus Mitteilungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace und des Vereins „Pro Lausitzer Braunkohle“ hervor.
Für die Befürworter neuer Tagebaue könnte die Sammelboxen-Aktion zum Bummerang werden. Denn die gesamte, noch bis Dienstag laufende Auslegung, mithin der gesamte Braunkohleplan für Welzow-Süd II könnte am Ende vor Gericht landen und scheitern. Es ist schon der zweite Anlauf, 2012 scheiterte das Prozedere, weil der Nachweis der energiepolitischen Notwendigkeit für den Tagebau fehlte. Nun hält Greenpeace die in den vergangenen drei Monaten in den Amtsstuben gesammelten Unterschriften für ungültig, weil schon die Unterschriftenboxen dort rechtswidrig waren. Die Umweltaktivisten forderten die betroffenen Kommunen auf, gesammelte Unterschriften nicht an den Verein „Pro Lausitzer Braunkohle“ zu übergeben, der die Listen bei der Gemeinsamen Landesplanungsbehörde zum Beteiligungsverfahren einreichen will. Zudem müssten die Kommunen offenlegen, wie viele Unterschriften sie bereits übergeben haben.
Laut Greenpeace haben Cottbus und Großräschen, der Kreis Oberspreewald- Lausitz und die Gemeinde Spreetal (Sachsen) angekündigt die Sammelboxen zu entfernen. Zuvor hatten sie „Pro Lausitzer Braunkohle“ erlaubt, in kommunalen Einrichtungen und öffentlichen Betrieben Unterschriften für Welzow-Süd II zu sammeln. „Eine Stadtverwaltung darf in ihren Räumen nicht das Sammeln von Unterschriften für die Braunkohle erlauben. Das wäre so, als würde sie vor einem Wahlbüro Werbung für eine politische Partei dulden“, sagte Greenpeace-Energieexperte Gerald Neubauer.
Wie berichtet hatte Greenpeace zu Wochenbeginn in einem offenen Brief Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) aufgefordert gegen die Verletzung des staatlichen Neutralitätsgebots vorzugehen. Greenpeace hatte mit rechtlichen Schritten gedroht, sollten die Kommunen das Unterschriftensammeln nicht stoppen. Der Verein „Pro Lausitzer Braunkohle e.V.“ bedauerte die Entscheidung der Kommunen, bedankte sich aber für deren ursprüngliches Entgegenkommen.
Laut Innenministerium, das die oberste Kommunalaufsicht ist, sind nichtamtliche Unterschriftenlisten in Amtsstuben möglich. Die öffentliche Verwaltung müsse aber Neutralität wahren und dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechen. Die Umsetzung hänge vom Einzelfall ab, hieß es. Greenpeace dagegen wies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2007 hin, wonach einer Polizeigewerkschaft mit Verweis auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung untersagt wurde, Unterschriften innerhalb von Dienstgebäuden zu sammeln.
HINTERGRUND
In Brandenburg bekannte Gutachter
Drei Wochen vor der Entscheidung des Regionalen Planungsverbands in Sachsen über die Erweiterung des von Vattenfall betriebenen Braunkohletagebaus Nochten hat die sächsische Linke-Landtagsfraktion ein neues Gutachten vorgelegt. Darin kommt der Klimaschutzexperte Hans-Jürgen Schlegel wie in einem Gutachten für Brandenburgs Umweltministerium für die Tagebaupläne Welzow-Süd II zu dem Schluss, dass es keinen Bedarf für eine weitere Braunkohleförderung gebe. Eine Verbrennung der Kohle aus dem geplanten Tagebau Nochten II und die damit verbundene Freisetzung des Treibhausgases CO2 widersprächen geltenden Klimaschutzzielen. Dem Gutachten des von Sachsens Staatsregierung bestellten Experten Georg Erdmann, der eine ähnliche Studie für Brandenburgs Wirtschaftsministerium zu Welzow-Süd II verfasste, warf er vor, den Klimaschutz außer Acht zu lassen.
Vattenfalls Pläne
Der Energiekonzern Vattenfall will in Nochten II 300 Millionen Tonnen Braunkohle abbauen. Etwa 1500 Menschen in Trebendorf und Schleife droht die Umsiedlung. Mehrere Ortsteile würden komplett verschwinden. (dpa/axf)
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