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Brandenburg: Konflikt im Wartemodus
Längst ist die umstrittene Schweinemast in Haßleben genehmigt. Kritiker geben trotzdem nicht auf
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Haßleben - Öko-Strom statt Industrie-Schweine – Die Stalldächer der umstrittenen Schweinemastanlage in Haßleben (Uckermark) sind vollgepackt mit Solarplatten, die Ökostrom-Produktion ist bereits in vollem Gange. Die Schweinemast lässt indes auf sich warten, obwohl das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg dem Investor wie berichtet vor einem Jahr grünes Licht dafür gab: Die Haßlebener Schweineproduktion und Recycling GmbH kann starten, sofern über die Widersprüche der Umweltverbände abschließend entschieden ist. Diese Entscheidung steht noch immer aus.
„Trotz der langen Zeit gibt es noch Befürworter“, sagt Frank Skomrock von der Bürgerinitiative Pro Schwein – für Arbeitsplätze und sozialen Ausgleich. Viele stünden noch für das Projekt, wenn auch eher nicht öffentlich. Durch den Investor habe ein knappes Dutzend Uckermärker Arbeit gefunden – in den Anlagen des Niederländers in Sachsen-Anhalt. „Seit zehn Jahren, feste Verträge“, betont Skomrock. Der Investor stehe also zu seinem Wort und beschäftige Leute. Helmut Rehhahn, Projektleiter des Investors, bestätigt diesen Fakt. „Die sind eingestellt, weil es in der Uckermark nicht geht“, erklärt er. Insgesamt sollen in Haßleben Rehhahn zufolge 34 Arbeitsplätze entstehen.
Das große Schild der Initiative an der Kreuzung im Ort wurde im Sommer 2013 abgefackelt. Jetzt prangt ein neues dort. Es zeigt eine Waage, die Balance sucht zwischen einem Touristen links und einem Schwein rechts, wie Skomrock beschreibt. „Es braucht einen bestimmten Ausgleich zwischen Tourismus und Landwirtschaft“, meint er. Skomrock hofft, dass die Anlage doch noch in Betrieb genommen werden kann. Der Investor will dort knapp 37 000 Schweine halten. Der Projektleiter schließt sich an: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Doch auch die Umweltschützer geben sich zuversichtlich und hoffen auf das Gegenteil. Mit ihren insgesamt 1234 Einwänden gegen das umstrittene und langwierige Vorhaben haben sie die Genehmigung zwar nicht verhindert, aber doch Hürden aufgebaut. Befürchtet werden neben einer enormen Geruchsbelästigung vor allem negative Folgen für die Umwelt durch die in den Ställen anfallende Gülle. Diese soll den Plänen zufolge auf den umliegenden Feldern ausgebracht werden. Ein vom Landesumweltamt in Auftrag gegebenes Gutachten aus dem Jahr 2010 und eine Stellungnahme des Kreises Uckermark kommen zumindest zur Einschätzung, dass das nah gelegene Moor Kuhzer Grenzbruch durch den Gülleeintrag auf umliegende Äcker beeinträchtigt und der Moorfrosch und der Laufkäfer gefährdet würden. Die Gegner der Anlage argumentieren aber, dass die Böden bereits aus der Zeit der Schweinemast in der DDR verseucht genug seien. Zudem werde durch die massenhafte Haltung von Schweinen Grundwasser mit Nitrat verunreinigt, was besonders bei Kleinkindern zu Gesundheitsschäden führen könne, heißt es. In einigen Regionen Niedersachsens, das als Hochburg der Massentierhaltung gilt, muss Trinkwasser deshalb bereits aus dem Harz angeliefert werden.
„Wir werden nicht nachlassen und alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, betont Friedhelm Schmitz-Jersch, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Brandenburg. Haßleben sei gewissermaßen das „Flaggschiff“ und stellvertretend für viele Anträge auf Mega-Ställe in Brandenburg. Zu DDR-Zeiten hatte die Schweinemast in der Landschaft viel Schaden angerichtet. „Diese Situation soll jetzt nicht wieder aufleben.“ Gert Müller von der Bürgerinitiative Kontra Industrieschwein sagt: „Wir erwarten noch Unterlagen, um dazu unsere Stellung abzugeben.“ Die Initiative zweifele beispielsweise an, dass der Brandschutz in den Ställen funktioniere. „Die Rettungswege sind lang“, gibt Müller zu bedenken.
Gemeinsam blicken die Gegner auf ein Datum: Am 29. Juni ist eine Demonstration in Haßleben geplant, gegen industrielle Tierhaltung in Brandenburg, nach dem Motto „Wir haben es satt“. Die Volksinitiative „Stoppt Massentierhaltung“ hat bisher landesweit mehr als 10 000 Unterschriften für ihr Anliegen gesammelt. Sie will das Thema in den Landtag tragen. In Haßleben dauert der Streit um die Wiederbelebung der alten DDR-Anlage mit mehr als 150 000 Plätzen nun mehr als zehn Jahre. Der Investor wollte zunächst an die 80 000 Tiere mästen. In einem geänderten Antrag von 2012 geht es noch um rund 35 000 Plätze für Zuchttiere und Ferkel. Den ersten Antrag hatte die Behörde mit Verweis auf zu hohen Nährstoffeintrag abgelehnt.
Gert Müller ist über die Zeit zum Vegetarier geworden. „Ganz ohne Not“, wie er betont. Wenn man die Bilder sehe, die Tierschützer in solchen Anlagen machten, da bleibe einem der Bissen im Halse stecken. „Das ist kein Verzichtsgefühl. Man kann auch wunderbar anders essen.“ M. Matern, S. Prutean
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