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Brandenburg: Kostbare Krume

Nach Protesten stoppte der Bund den Verkauf einst volkseigener Seen und Felder / Neue Verhandlungen

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Potsdam - Wenn ab dem heutigen Montag Bund und neue Länder ihre Verhandlungen über die Privatisierung einst volkseigener Agrarflächen im Osten fortsetzen, dürften Brandenburgs Landwirte mit Sorge auf Neuigkeiten aus Berlin hören. Sie sind von der bisherigen Verkaufspraxis besonders betroffen. In der Kritik steht die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG). Der Landesbauernverband Brandenburg wirft der Gesellschaft eine „massive Benachteiligung“ von Landwirten in Ostdeutschland beim Verkauf von Treuhandflächen vor.

Drastischer formuliert es Micheal Schultz (52), Geschäftsführer der Gut Arendsee GbR in der Uckermark, denn er sieht seinen Betrieb in Gefahr: „Das ist eine Politik, um Strukturen im Osten kaputt zu machen. Der Staat entzieht uns den Nährboden.“ Seine Kritik: „ Mit den Ausschreibungen der BVVG wird der Verkehrswert nach oben getrieben.“ Von einem Flächenbrand in der Mark ist die Rede. Der Bodenmarkt werde regelrecht aufgemischt, weil die BVVG maximale Erlöse erzielen wolle, beklagen Agrarfunktionäre. Die Preise für die märkische Krume würden in den Himmel schießen, denn bei der Ermittlung der Verkehrswerte greife die BVVG mehrheitlich auf in der Vergangenheit abgegebene Höchstgebote für andere Flächen in der Umgebung zurück. „Die Gefahr ist, dass dadurch eine Preisspirale in Gang gesetzt wird, die nicht der Realität entspricht“, sagt Bauernverbandssprecher Brantsch. Die veranschlagten Hektarpreise lägen deutlich über ortsüblichen Durchschnittswerten. Brantsch fordert daher: „Es darf nicht nach Höchstgebot verkauft werden.“

Die BVVG privatisiert ehemals volkseigene Flächen. Dazu ist sie nach dem Treuhandgesetz auch verpflichtet. Allerdings müssen auch die Eigenheiten der Agrarwirtschaft beachtet werden. Auf dem Land aber herrscht der Eindruck vor, die BVVG kümmere das nicht. „Viele Landwirte können nicht mitbieten. Und wenn doch, kann es sein, dass gesunde Unternehmen vom Markt gehen oder hohe Schulden aufnehmen“, sagt Joachim Domeratzky, Referent im Landes-Agrarministerium.

Ähnliches fürchtet auch Michael Schultz, dessen Gut Arendsee GbR in der Nordwestuckermark insgesamt 720 Hektar mit Mais und Getreide bewirtschaftet, eine Biogasanlage und eine Schweinemast betreibt. Allein 590 Hektar gehören der BVVG und sollten nun verkauft werden: „Zum 31. Oktober 2011 wurde uns die Pacht gekündigt.“ Daher hat Schultz eine Härtefallregelung beim Land beantragt, geholfen hat es wenig. „Uns wurde mitgeteilt, dass wir 160 Hektar für fünf Jahre pachten und 200 Hektar nach Verkehrswert kaufen können. Der Rest wird ausgeschrieben.“ Sich an einer Ausschreibung zu beteiligen, dafür fehlt das Geld, der Betrieb muss den Maschinenpark erneuern und Kredite abbezahlen. „Wir haben in den letzten Jahren investiert wie die Weltmeister, haben seit 1990 zehn Arbeitsplätze erhalten. Wir können nur pachten.“

Die neue Verhandlungsrunde ab heute lässt Schultz nur wenig hoffen: „Wir sind wie gelähmt, auf Gedeih und Verderb der Politik ausgesetzt – am Ende entscheiden BVVG und Bundesfinanzministerium.“ Das hatte noch unter Minister Peer Steinbrück (SPD) Ende August Gespräche über die Privatisierungspraxis der BVVG angekündigt und die Ausschreibung von Agrarflächen und Seen nach Protesten vorläufig ausgesetzt; Direktverkauf und Verpachtung liefen weiter. Doch die Verhandlungen auf Staatssekretärsebene von Bund und neuen Ländern sind wegen der Wahlen Ende September ins Stocken geraten. Das letzte Gespräch war Anfang Oktober, der Stopp für die Ausschreibungen läuft nur bis Jahresende.

Aus der Landesregierung heißt es, im nun CDU-geführten Bundesfinanzministerium gebe es durchaus die Meinung, ein Verzicht auf die Einnahmen komme angesichts der leeren Staatskasse nicht in Frage – immerhin hat die BVVC seit 1992 3,7 Milliarden Euro eingenommen.

Zudem sind mancherorts – auch wegen der Finanzkrise und sich umorientierende Investoren – die Bodenpreise stark gestiegen: Die Äcker sind für nachwachsende Rohstoffe und Energiepflanzen gefragt, mit denen sich gute Renditen erwirtschaften lassen. Die neuen Landkäufer: Investoren wie etwa Fonds und Konzerne. Bei größeren Flächen würden extrem hohe Summen geboten, sagt Jörg Eickmann, Bauernchef in Oberhavel: „Viele Leute aus der Industrie drängen in den Markt.“ Noch zu Jahresbeginn sagte BVVG-Geschäftsführer Wolfgang Horstmann über die Finanzkrise: „Sie wirkt sich stimulierend auf unser Geschäft aus.“ Alexander Fröhlich

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