Von Alexander Fröhlich: Kreisgebietsreform – Sachsen hat es vorgemacht
Rot-Rot meidet das Thema – dabei sind der Zuschnitt der Polizeidirektionen und neue Gemeindefusionen schon der Anfang
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Potsdam - Das Vorhaben ist heikel für das rot-rote Regierungsbündnis in Brandenburg. Eine flächendeckende Kreisgebietsreform noch in dieser Wahlperiode halten SPD und Linke zwar laut Koalitionsvertrag „nicht für notwendig“, eine Debatte darüber wollen beide Parteien möglichst vermeiden. Doch erste, wegweisende Schritte für die Zeit nach der Landtagswahl 2014 sind eingeleitet.
Auch Innenminister Dietmar Woidke (SPD) will einen Neuzuschnitt der 14 Landkreise und vier kreisfreien Schritte vorerst nicht anpacken, wie er sagte. Zumal Woidke seit Übernahme des Ministeramtes vor knapp drei Wochen mit der Radikalreform der Polizei vollends beschäftigt ist – und das mit einem Mammutprogramm in den nächsten Monate bleiben wird.
Die 15 Schutzbereiche sollen in vier Polizei-Direktionen umgewandelt werden, die deckungsgleich in den Bezirken der Staatsanwaltschaften und Landgerichte liegen. Experten sehen darin ein Indiz für eine neue Struktur für die 14 Landkreise, von denen acht im Zuge der Gebietsreform 1993 wie Tortenstücke rund um Berlin zugeschnitten wurden und vom wachsenden Speckgürtel bis in die schrumpfenden Randregionen reichen. Drum herum wurden sechs Landkreise im Norden und im Landessüden ohne direkte Grenze zu Berlin gruppiert.
Genau jene Gebiete aber haben die tiefsten Einschnitte bei der Einwohnerzahl zu verkraften, seit 2003 im Schnitt um die neun Prozent in Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße, Uckermark und Prignitz. In Ostprignitz-Ruppin liegt der Rückgang bei knapp sechs Prozent.
Über neue Kreisstrukturen in den Grenzen der Polizeidirektionen sprechen selbst Abgeordnete der Regierungsfraktionen, intern wird Ex-Innenminister Rainer Speer (SPD) zugeschrieben, mit den neuen Polizeiebenen langfristig auch straffer geordnete Kreise geplant zu haben. Im Januar wird Innenminister Woidke nun ein Papier zu freiwilligen Gemeindefusionen und zur Auflösung von Ämtern vorlegen, das auch Eckpunkte zu den Landkreisen und kreisfreien Städten enthält. Diese sollen künftig enger zusammenarbeiten dürfen, etwa gemeinsam Behörden unterhalten. Woidke hält es für vorstellbar, dass Spree-Neiße etwa die Veterinärüberwachung für Cottbus erledigt.
Ausdrücklich unterstützt Rot-Rot laut Koalitionsvertrag „freiwillige Zusammenschlüsse von Landkreisen bzw. von Landkreisen mit kreisfreien Städten“. Nun will die Regierungskoalition die Leistungsfähigkeit der kreisfreien Städte überprüfen, ein eigens gegründeter Arbeitskreis befasst sich mit einer Funktionalreform. „Auch die Landkreise müssen in die Strukturüberprüfung“, sagt Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, der mit einer Reform nach 2014 rechnet. Ebenso CDU-Innenexperte Sven Petke, allein weil der „Anpassungsprozess durch die demografische Entwicklung“ lange nicht beendet sei.
Sachsen ist da schon weiter, wo es auch Polizei- und Landes-Direktionen gibt. 2008 sind 22 Landkreise auf zehn und die sieben kreisfreien Städte auf drei reduziert worden. 4,5 Millionen Einwohner leben im Freistaat, in Brandenburg nur 2,5 Millionen, verteilt auf 14 und damit deutlich mehr Landkreise. In Sachsen sind die Landkreise weit schlagkräftiger, teilweise mit mehr als 300 000 Einwohner, selbst für das Jahr 2020 werden für die meisten Kreise Zahlen deutlich über 200 000 Einwohner prognostiziert. Über dieser Marke liegen in Brandenburg dagegen jetzt nur Potsdam-Mittelmark und Oberhavel, die meisten liegen deutlich darunter, die Prignitz hat nur noch 83 000 Einwohner.
Die nun von Rot-Rot forcierte neue Fusionswelle bei den Gemeinden trifft die Kreise in Brandenburg zusätzlich. Mit der Auflösung der Ämter hin zu Großgemeinden sinkt die Zahl der Kommunen. „Wenn es nur zwei Hände voll Städte und große amtsfreien Gemeinde gibt, wozu brauchen wir dann einen Kreis in dieser Größe dafür, da drängen sich größere Einheite geradezu auf“, sagt ein damit betrauter Experte.
Unter Druck stehen auch die kreisfreien Städte mit Ausnahme der Landeshauptstadt Potsdam. Frankfurt (Oder) musste seit 2003 einen knapp zehnprozentigen Rückgang auf 60 000 Einwohner verkraften. Brandenburg/Havel liegt mit 4,3 Prozent weniger Einwohnern bei 72 000. Cottbus entging Ende 2009 gerade noch der Schmach, den an der Marke von 100 000 Einwohner gekoppelten Status als Großstadt zu verlieren, inzwischen vermeldet die Stadt auch nur noch 99 000 Einwohner.
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