Brandenburg: Kritik an Freilassung der Alex-Schläger
Auch Justizsenator Heilmann und Innensenator Henkel unterstützen Protest der Ermittler
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Berlin - Mit Unverständnis haben Angehörige auf die Freilassung von zwei Männern reagiert, die an dem tödlichen Angriff auf den 20 Jahre alten Jonny K. beteiligt gewesen sein sollen. K. war am frühen Morgen des 14. Oktober auf dem Alexanderplatz von einer Gruppe junger Männer durch Tritte und Schläge tödlich verletzt worden. Ein Verdächtiger, der 19 Jahre alte Osman A., ist in Haft. Zwei weitere, die sich am Mittwoch gestellt hatten, hat ein Ermittlungsrichter von der Untersuchungshaft verschont.
Einige Politiker halten dies für fragwürdig. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) begrüßt, dass die Staatsanwaltschaft Haftbeschwerde gegen die Entscheidung eingelegt hat, den 21 Jahre alten Melih Y. mit Blick auf dessen familiäre Bindungen aus der U-Haft zu entlassen. Er halte das, was die Staatsanwaltschaft macht, „für überzeugend“ und schließe sich deren Meinung an, dass hier Beschwerde eingelegt werden musste, so Heilmann. Die Entlassung des 19-jährigen Memet E. wollte Heilmann nicht kommentieren; in dem Fall prüft die Staatsanwaltschaft noch eine Beschwerde.
CDU-Generalsekretär Kai Wegner erklärte, die Entscheidung des Haftrichters widerspreche seinem Gerechtigkeitsempfinden: „Das ist genau das falsche Signal.“ Innensenator Frank Henkel (CDU) erklärte seine „Unzufriedenheit mit dieser Entscheidung“. Entsetzen löste die Freilassung bei Freunden von Jonny K. aus. „Wir konnten die ganze Nacht nicht schlafen“, sagt der 29 Jahre alte Kaze C., der am 14. Oktober ebenfalls attackiert worden war und einen Jochbein- und einen Armbruch erlitten hatte. Er sagt, er sei – wie auch die Familie von Jonny K. – erleichtert gewesen, dass drei der sechs Verdächtigen festgenommen wurden. Die beiden entlassenen Verdächtigen „dürfen nun weiterhin frei rumlaufen und machen, was sie wollen“, sagt Kaze C. „Was ist, wenn die doch flüchten, weil beispielsweise neue Beweismittel auftauchen?“, fragt er und: „Was, wenn die so etwas noch mal machen, weil sie nicht in U-Haft gesteckt wurden?“
Eine nicht unberechtigte Frage. Vor sieben Jahren hatte es im Fall des getöteten siebenjährigen Christian Sch. aus Zehlendorf einen ähnlichen Streit um die Entscheidung eines Haftrichters gegeben: Der damals 16-jährige Keith M. hatte den Jungen im August 2005 ermordet. Bei den Ermittlungen kam heraus, dass Keith M. wenige Wochen zuvor einen Soldaten an einer Tankstelle lebensgefährlich verletzt hatte. Danach hatte ein Bereitschaftsrichter Keith M. laufen lassen, trotz laufender Bewährungsstrafe. Auch 2011 hatte die Entscheidung eines Haftrichters zu einer Debatte über die U-Haft geführt. Damals war der „U-Bahnschläger“ genannte Torben P., ein Gymnasiast, von der U-Haft verschont worden, nachdem er einen Mann auf dem Bahnhof Friedrichstraße ins Koma getreten hatte. Der damalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte den Richterbeschluss kritisiert: Die Gesetze hätten auch erlaubt, den Tatverdächtigen in Haft zu nehmen.
Die Polizei wollte sich gestern nicht zu der Richter-Entscheidung äußern. „Es gibt aber viel Unverständnis“, sagte ein hochrangiger Beamter. Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hieß es: „Natürlich müssen die Richter unabhängig entscheiden. Wir hoffen aber, dass die Beschwerde der Staatsanwaltschaft erfolgreich sein wird“, sagte GdP-Sprecher Dieter Großhans. „Man muss sich fragen, ob so eine U-Haft-Verschonung das richtige Zeichen ist.“ Innenpolitiker der Opposition erinnerten indes daran, dass die Verschonung von der U-Haft noch nichts über die Schuld der Verdächtigen sage. Die werde erst im Strafverfahren festgestellt, sagte der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux. Christopher Lauer von den Piraten sagte, so entsetzlich die Tat auch sei, so falsch wäre es für einen Politiker, den Richtern hineinzureden.
Angehörige und Freunde wollen Sonntag bei einer Trauerfeier in Westend von Jonny K. ab 15 Uhr Abschied nehmen. Die „private Abschiedsparty“, die bei Buddhisten üblich sei, sagt Kaze C., soll abends im Klub „Mio“ am Alex stattfinden – wo die Tragödie begann. Werner van Bebber/Tanja Buntrock
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