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Aus Kamerun nach Bandelow. Der 28-jährige Flüchtling Devisme Jackson hat in seiner Heimat eigentlich Bauingenieur gelernt. Bei seinem neuen Chef Pieter Wolters repariert er jetzt Ställe, bedient den Melkstand, mistet aus und büffelt für den Führerschein.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Kühe, Käse und Integration

Als Pieter Wolters mit seiner Familie Mitte der 1990er-Jahre in die Uckermark kam, waren die Holländer die ersten Ausländer in Bandelow. Jetzt hilft der Unternehmer anderen Neuankömmlingen

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Bandelow - „Holländer sind Kaufleute. Und für die sind Grenzen kein Problem“, sagt Pieter Wolters. Vor mehr als 20 Jahren kam er mit seiner Familie ins uckermärkische Bandelow, um dort eine ehemalige LPG mit 40 Mitarbeitern und Hunderten Milchkühen zu übernehmen. „Wir hatten einfach ein gutes Gefühl hier“, sagt der 68-Jährige noch heute. Preise hat Wolters für seine 18 Schnittkäse-Sorten der Marke „Uckerkaas“ seitdem schon viele bekommen. Der Sonderpreis des Bundesarbeitsministeriums für die betriebliche Integration von Flüchtlingen wäre hingegen schon etwas Besonders.

Denn inzwischen hat der Unternehmer dafür gesorgt, dass er und seine Söhne nicht mehr die einzigen Ausländer in dem 200-Seelen-Dorf kurz vor der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern sind. Zu den mittlerweile 55 Mitarbeitern in Milchviehbetrieb, Handelsunternehmen und Bauernkäserei gehören auch drei Zuwanderer aus Afrika. Sie leben nun in Bandelow, sind im Fußballverein oder bei der freiwilligen Feuerwehr.

Lange vor der großen Flüchtlingswelle hatte Wolters die Männer durch sein ehrenamtliches Engagement in der Stadtmission Prenzlau (Uckermark) kennengelernt und ihnen eine berufliche Chance gegeben.

„Es war mir ein Anliegen, denn die Wirtschaft muss Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen, auch beim Thema Integration“, ist der Wahl-Uckermärker überzeugt.

1300 Wolters-Kühe wollen versorgt sein, liefern täglich an die 4000 Liter Milch, die in der Käserei verarbeitet werden. Hinzu kommen 1000 Hektar Ackerland und Weiden, auf denen Maxino aus dem Tschad seinen Arbeitsplatz hat. Der 26-jährige Flüchtling träumte eigentlich davon, Truckerfahrer zu werden. Wolters fragte ihn, ob er sich vorstellen könnte, auch hinter dem Lenkrad eines Traktors zu sitzen, bot ihm zunächst ein Praktikum an. Inzwischen geht Maxino auf die Landwirtschaftsschule, wo er im Frühjahr 2017 seine Prüfung zum Landwirt macht. Wolters besorgte ihm für den Anfang Lehrbücher auf Französisch, weil der Afrikaner noch wenig Deutsch sprach. „Es hat sich gelohnt, an Maxino zu glauben“, sagt er stolz.

Die fehlenden Sprachkenntnisse, die Unternehmer bei Flüchtlingen häufig bemängeln, sind für den Bandelower Firmenchef nicht ausschlaggebend. Wichtiger sind ihm Empathie und Zuverlässigkeit.

„Afrikanische Flüchtlinge stammen überwiegend vom Land, sie kennen sich aus mit Landwirtschaft, haben Ahnung von Tieren und wissen auch, wie eine Dorfgemeinschaft tickt“, sagt der gebürtige Holländer. Das Kühetreiben von oder zur Weide sei beispielsweise eine Herausforderung. „Da erkennst du schnell, wer was kann.“ Die positiven Erfahrungen mit Maxino brachten dessen Landsmann Jalal zu Wolters. Auch der 23-Jährige drückt inzwischen die Schulbank in der Ausbildung. „Im Kontakt mit den Deutschen lernst du mehr als in jedem Sprachkurs“, sagt Jackson aus Kamerun. Der 28-Jährige ist eigentlich Bauingenieur – den Abschluss hat er allerdings in seiner Heimat nicht mehr machen können.

In Wolters Firma repariert er Ställe, bedient den Melkstand, mistet aus und büffelt für den Führerschein. Ob und welche Ausbildung er machen möchte, da ist sich Jackson noch unsicher. Sein Chef lässt ihm Zeit für die Entscheidung. Er hätte auch kein Problem damit, den technisch begabten Afrikaner in einem Planungsbüro unterzubringen.

Inzwischen hat Wolters bereits eine Warteliste weiterer interessierter Flüchtlinge. Der Mittelständler muss aus betriebswirtschaftlichen Gründen nun jedoch erst einmal auf die Bremse treten. Er würde die jungen Ausländer stattdessen gern an andere Firmen vermitteln. „Alle jammern, sie hätten keine Fachkräfte und in den Heimen sitzen untätige junge Leute“, sagt er.

Um den Integrationspreis (CSR) des Bundesarbeitsministeriums hat sich der 68-Jährige beworben, um anderen Unternehmern einen Denkanstoß zu geben. „Probiert es mit den Zuwanderern, hört auf mit euren Ängsten, es geht.“ Nach Angaben von Sybille Neuss vom CSR-Wettbewerbsbüro ist der Holländer genauso „Überzeugungstäter“ wie die fünf weiteren Nominierten. „Sie bieten nicht nur Praktika für Zuwanderer, sondern auch Ausbildung und Anstellung, weil sie daran glauben, dass eine Aufnahme von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt der Schlüssel zu tatsächlicher Integration ist“, sagte sie. Die Preisverleihung findet am 24. Januar 2017 in Berlin statt.

Jeanette Bederke

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