zum Hauptinhalt

Brandenburg: Kündigung des Ex-Spitzels rechtens Polizeisprecher bekommt aber länger Bezüge

Cottbus/Potsdam - Brandenburgs Innenministerium darf den unter Stasi-Verdacht stehenden ehemaligen Cottbuser Polizeisprecher Berndt Fleischer kündigen – aber nicht fristlos. Darauf einigten sich die Anwälte des Landes und Fleischers als Kläger am Dienstag in einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Cottbus.

Stand:

Cottbus/Potsdam - Brandenburgs Innenministerium darf den unter Stasi-Verdacht stehenden ehemaligen Cottbuser Polizeisprecher Berndt Fleischer kündigen – aber nicht fristlos. Darauf einigten sich die Anwälte des Landes und Fleischers als Kläger am Dienstag in einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Cottbus. Das Land stellt den 59-Jährigen demnach bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni frei und zahlt bis dahin weiter dessen Bezüge.

Nach einem Bericht des RBB-Magazins „Klartext“ hatte Fleischer bei einer Anhörung im Innenministerium Mitte Februar zugegeben, unter dem Decknamen „Fritz“ Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi gewesen zu sein, was er über Jahre verschwiegen hatte. Deshalb war er mit sofortiger Wirkung fristlos gekündigt worden. Fleischer klagte dagegen und wollte weiterbeschäftigt werden.

In Opferakten hatte „Klartext“ mehrere zum Teil handschriftliche Berichte gefunden, die dem früheren Strafvollzugsbediensteten des Cottbuser Gefängnisses zugeordnet werden konnten. In Cottbus saßen vor allem politische Häftlinge ein. Bei seiner Einstellung in den Brandenburger Polizeidienst hatte Fleischer eine Stasi-Tätigkeit verschwiegen, die Aktenlage war bei seiner Übernahme in den Landesdienst zudem äußerst dünn.

Fleischer ist einer von mehreren bekannt gewordenen Stasi-Fällen bei der Polizei. Anfang März war bekannt geworden, dass der Leiter der Polizeiwache Cottbus hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi war – unter anderem als Untersuchungsführer für die Vernehmung von politischen Gefangenen.

Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hatte daraus im Gegensatz zu seinen Vorgängern harte Konsequenzen gezogen, um das wegen der laxen Überprüfungspraxis in Brandenburg ohnehin angeschlagenen Image der Polizei zu retten. Führungsposten sollen demnach möglichst nicht mehr mit Beamten besetzt werden, die einst hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit waren, die aber wegen Versäumnissen nach der Wiedervereinigung weiter im Dienst gehalten werden müssen. Für 68 Führungskräfte der Polizei hat das Innenministerium im März Auskunft bei der Stasi-Unterlagenbehörde beantragt. Betroffen sind 15 Leiter von Schutzbereichen, 45 Wachenleiter und acht Leiter von Wasserschutzpolizeiwachen. Ergebnisse der Anfragen bei der Stasi-Unterlagenbehörde liegen noch nicht vor. „Wir warten noch auf den Rücklauf“, sagte Ministeriumssprecher Ingo Decker. Bisher vorliegende Abfrageergebnisse stammen zumeist aus den Überprüfungsverfahren aus den 90er Jahren.Woidke ist nach eigenen Angaben jedenfalls bewusst, dass es eine Reihe zweifelhafter Einstellungen gegeben haben könnte.

Zuletzt hatte der neue Stasi-Bundesbeauftragte Roland Jahn den neuen Umgang von Innenminister Woidke mit Stasi-Fällen in der Polizei begrüßt. Dennoch sah Jann im Umgang mit der SED-Diktatur in Brandenburg „ einen extremen Nachholebedarf“. Es sei zu merken, „dass hier Jahre verschlafen worden sind“, sagte Jahn mit Blick auf die Debatten um frühere Stasi-Mitarbeiter in Polizei und Justiz. „Der Bedarf an politischer Hygiene ist da.“Alexander Fröhlich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })