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Verkauft. Eines der umstrittensten Immobiliengeschäfte der BBG ist der Verkauf der Kasernen in Potsdam-Krampnitz.

© N. Bachmann/dpa

Von Alexander Fröhlich: Landeseigentum unter fremder Kontrolle

Die Affäre um den Verkauf der landeseigenen BBG weitet sich aus. Offenbar ist ein Netzwerk am Werk

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Potsdam – Auch nach seinem Rücktritt als Innenminister ist der SPD-Landtagsabgeordnete Rainer Speer in Erklärungsnot. Wiederholt hatte er betont, er habe sich nichts vorzuwerfen. Doch die in seiner Amtszeit als Finanzminister vorangetriebene und abgeschlossene Privatisierung der Brandenburgischen Boden Gesellschaft (BBG) war nach PNN-Recherchen ein Ausverkauf von Landesvermögen zum Niedrigstpreis an ein eng gestricktes Netzwerk von Entsorgungs- und Immobilienfirmen.

Statt der in einem Brief vom 7. November 2006 an den Finanzausschuss des Landtags und in einer Pressemitteilung genannten 3,9 Millionen Euro hat der Käufer, die TVF Altwert GmbH, effektiv nur etwas mehr als 100 000 Euro für das gut gehende Landesunternehmen selbst aufbringen müssen. Zugleich ist die BBG ohne Wissen des Landtags mit dem Verkauf im November 2006 und erneut 2009 mit millionenschweren Geschäftsbesorgungsverträgen versehen worden, um Militärflächen der Sowjetarmee in Brandenburg zu vermarkten.

Im Zentrum der Affäre steht ein Freund des vergangene Woche wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit nicht geleisteten Unterhaltszahlungen für ein uneheliches Kind zurückgetretenen SPD-Politikers Speer: Frank Marczinek sitzt im Vorstand des Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03, dessen Präsident Speer ist. Marczineks TVF Altwert mit Sitz in Lübbenau, früher ein Joint Venture von ThyssenKrupp und der VEAG – heute Vattenfall –, hatte Ende 2006 die BBG vom Land gekauft. Die TVF Altwert finanzierte, wie berichtet, rund 3,3 Millionen Euro des Kaufpreises von insgesamt 3,9 Millionen Euro für die BBG aus dem Vermögen der Landesfirma, die vor der Privatisierung satte Gewinn erwirtschaftet und wegen der ursprünglich seit 2004 vorgesehenen Liquidation Rücklagen für Sozialpläne angehäuft hatte. Das Land hatte zugestimmt – der Arbeitsplätze bei der BBG wegen.

In ihren Bilanzen verbuchte die TVF Altwert für den Erwerb des Landesunternehmens genau 638 410,70 Euro. Aber auch diesen minimalen Eigenaufwand konnte Marczineks Firma weiter drücken – durch Kapitalentnahme: Ende 2008, zwei Jahre nach dem Verkauf, wurde das einst mit Landesmitteln gebildete Stammkapital der BBG von 600 000 Euro um eine halbe Million Euro verringert. Damit hat die BBG den Unternehmer, der als Mitgift vom Land noch die millionenschweren Geschäftsbesorgungsverträge erhalten hatte, am Ende nur rund 140 000 Euro gekostet. Stellungnahmen von BBG und Marczinek waren gestern nicht zu bekommen.

Inzwischen verwaltet Marczinek seinen Firmenbesitz an der TVF, der BBG und weiteren Unternehmen über die „fm Beteiligungsgesellschaft“. PNN-Recherchen und Aussagen damals Beteiligter legen nahe, dass die Privatisierung der Landestochter BBG von langer Hand von außen und aus der Firma heraus geplant war. Ziel: Die Kontrolle über die Ex- Militärflächen, deren Konversion und Verwertung.

Mit seinem, zusammen mit einstigen BBG-Mitarbeitern aufgebauten Firmengeflecht kann Marczinek vom Verkauf über die Altlastensanierung und die Projektentwicklung an der gesamten Wertschöpfungskette bei den landeseigenen Immobilien profitieren. Das legen auch personelle Verflechtungen zwischen BBG und Marczineks TVF Altwert nahe. Der frühere BBG-Mitarbeiter Reinhard Weise etwa kannte Marczineks TVF gut, weil diese bereits über Jahre vom Landesunternehmen Aufträge erhalten hatte. Nach PNN-Informationen wurde zudem der Vorschlag, die BBG nicht abzuwickeln, sondern zu privatisieren, direkt von Marczinek an das Landesunternehmen herangetragen und dann im Finanzministerium von der Fachabteilung unter Minister Speer umgesetzt.

Gleich nach dem Verkauf wurde Marczinek Geschäftsführer der BBG, Weise wiederum Prokurist, vier Monate später auch noch mit umfassender Handlungsvollmacht ausgestatteter Einzelprokurist bei Marczineks TVF. Beide Posten verließ Weise im November 2008. Zeitgleich gab er seine Stelle bei der BBG auf und wurde Geschäftsführer einer hundertprozentigen Tochter der BBG, der Berlin-Brandenburger Flächenentwicklungs GmbH (BBF), die über weitere Töchter Projekte auf früheren Militärliegenschaften und anderen Immobilien entwickelt und steuert.

Für die Opposition im Landtag ist der Vorgang ein Skandal, der auch im geplanten BBG-Untersuchungsausschuss beleuchtet werden soll. „Scheinbar wurde hier einfach mal so eine landeseigene Firma zum Freundschaftspreis verkauft und zum Schluss gab es noch einen millionenschweren Geschäftsbesorgungsvertrag dazu“, sagte CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig. „Am Ende scheinen alle ,Freunde‘ dabei gewonnen zu haben, nur der Brandenburger Steuerzahler, der blieb auf der Rechnung sitzen.“

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, wenn Stammkapital aus einem früherem Landesunternehmen abgezogen werde, „deutet das auf die Tätigkeit von Heuschrecken“ hin. Der Untersuchungsausschuss müsse nun Licht in das Finanzgebaren der in Landesauftrag tätigen BBG und ihrer Eigentümer bringen. „Wir werden diese Leute in den Untersuchungsausschuss vorladen. Das Finanzministerium kann sich nicht mehr damit herausreden, dass es hier um privatrechtliche Verträge geht“, erklärte Vogel.

Besonders pikant ist: Marczinek war 2004 bei einem Spendenessen mit SPD-Landeschef und Ministerpräsident Matthias Platzeck, dem späteren SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier und Platzecks Staatskanzlei-Chef Rainer Speer dabei, der wenige Monate später Finanzminister wurde. Marczineks TVF Altwert spendete damals 9900 Euro.

Die Spuren Marczineks führen auch zum dubiosen Geschäft rund um die Krampnitzer Kaserne in Potsdam. Der Verdacht besteht, dass das Areal aus Landesbesitz 2007 weit unter Wert verkauft wurde. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat am Freitag im Amtsgericht Potsdam die Grundbuchakten zu Krampnitz in Beschlag genommen. Es geht dabei um den Verdacht auf Betrug und Untreue beim Verkauf der Landesflächen durch die BBG. Nach Recherchen des RBB-Magazins Klartext bestehen erhebliche Zweifel an Speers wiederholten Aussagen, dass er sich im Fall Krampnitz nichts vorzuwerfen habe. Auch hier, so Klartext, seien offenbar Speers enge Freunde tiefer verstrickt, als bislang bekannt.

Die RBB-Kollegen von „Klartext“ senden heute Abend um 22.15 Uhr

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