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Brandenburg: Landesregierung will keine Jesiden aufnehmen
Der Beschluss des Landtags zum Aufnahmeprogramm für Jesiden ist nicht umgesetzt. Die Regierung bremste monatelang und ist dagegen. Die Staatskanzlei verhandelt nun mit dem Parlament.
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Potsdam - Brandenburgs Landesregierung will dem Landtagsbeschluss für die Aufnahme von Jesiden nicht nachkommen. Nach PNN-Informationen votieren Staatskanzlei und Innenministerium gegen ein Programm für eine begrenzte Aufnahme von Jesiden außerhalb des regulären Asylverfahrens. Dabei sollen nach Angaben aus Koalitionskreisen das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt ihr Einvernehmen mit einem Brandenburger Landesprogramm nach Vorbild Baden-Württembergs, das 1000 Jesiden aufnahm, erklärt haben. Doch die Landesregierung befand nun, dass Brandenburg nicht in der Lage sei, nach dem Völkermord an den Jesiden schutzbedürftige Frauen und Kinder – viele durch Folter, Versklavung, Vergewaltigung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) schwer traumatisiert – aus Lagern im Nordirak ins Land zu holen und hier zu behandeln. Zudem verweist die Landesregierung auf die unklare Lage in Kurdistan nach dem kürzlichen Unabhängigkeitsreferendum.
Staatskanzlei und Innenminister gingen ohnehin sehr reserviert an die Umsetzung des Landtagsbeschlusses vom Dezember 2016. Damals hatte sich das Parlament auf Antrag von SPD, Linke, CDU und Grünen für die begrenzte Aufnahme von Jesiden ausgesprochen. Bis zur Jahresmitte hatte der Landtag der Landesregierung Zeit gegeben, um zunächst mit dem Bund und anderen Bundesländern eine Lösung zu finden. Ansonsten soll Brandenburg selbst loslegen mit der Aufnahme, hatte der Landtag beschlossen. Mitte Mai legte er noch einmal nach und stellte mit großer Mehrheit fest, dass der Völkermord des IS im Nordirak ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, also einen Straftatbestand im Völkerstrafrecht erfüllt.
Doch Staatskanzlei ließ die Frist zur Jahresmitte verstreichen und verwies darauf, dass das Thema äußerst komplex sei. Aber auch die darauf vereinbarte Frist konnte die Landesregierung nicht einhalten. Demnach sollte im September der Abschlussprüfbericht vorgelegt werden. Der Grund: Die Linksfraktion hatte gegen einen ersten Entwurf ein Veto eingelegt. Nun soll noch einmal nachverhandelt werden. Staatskanzleichef Thomas Kralinski will sich am 9. Oktober mit den Vertretern der Fraktionen erneut zusammensetzen. Wobei die Fraktionsspitze der Linken – trotz der klaren Haltung der zuständigen Fachpolitikerin Andrea Johlige – einen Koalitionskrach in dieser Frage vermeiden will. Staatskanzlei und Innenminister berufen sich ohnehin darauf, dass das Außenamt trotz des erklärten Einvernehmens skeptisch ist. Es setzt auf Hilfe vor Ort bei den Fluchtursachen und bei der Versorgung von Trauma-Opfern. Zudem hat der Bund Zweifel, ob Brandenburg die Aufgaben stemmen kann und über die Fähigkeiten zur Behandlung Schwersttraumatisierter verfügt.
Das Menschenrechtszentrum Cottbus appelliert nun an die Landesregierung, den Landtagsbeschluss dringend umzusetzen. Die Lage der Jesiden sei unverändert. Tausende seien noch immer in den Fängen des IS. Sylvia Wähling, geschäftsführende Vorsitzende des Menschenrechtszentrums Cottbus, sagte: „Traumatisierte Opfer können nicht auf langwierige deutsche Lösungen warten, sondern benötigen akut unsere Hilfe.“
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