zum Hauptinhalt

Brandenburg: Leere Wahllokale – das Volk wählte Freizeit

Die Abstimmungsbeteiligung lag mit rund 32 Prozent deutlich unter den Erwartungen der Tempelhof-Befürworter

Stand:

Berlin - Spannung bis zum Schluss: Am Abend zeichnete sich gestern ab, dass der Volksentscheid zur Zukunft des Flughafens Tempelhof nicht erfolgreich sein würde. Erforderlich dafür wäre gewesen, dass 25 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja gestimmt hätten. Der Landesabstimmungsleiter rechnete am frühen Abend aber nur mit etwa 19 Prozent. Abgestimmt hatten insgesamt nur 32,1 Prozent der Berechtigten. Weil die Tempelhof-Befürworter nicht nur in der Mehrheit sein, sondern auch mindestens 609 509 Ja-Stimmen erreichen mussten, war die Wahlbeteiligung mitentscheidend. Nur bei einer hohen Quote hatte der Entscheid Chancen, das Quorum zu erreichen.

Am höchsten war die Beteiligung bis zum Nachmittag in Steglitz-Zehlendorf, wo bereits 39,5 Prozent der Abstimmungsberechtigten ihr Kreuzchen gemacht hatten. Nur knapp halb so hoch war zu diesem Zeitpunkt die Beteiligung in Marzahn-Hellersdorf. Ein Vergleich mit der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2006 zeigt, dass das Interesse an der Flughafen-Abstimmung etwas geringer war: Damals waren mittags bereits 22,3 Prozent an den Wahlurnen gewesen, also 7,4 Prozent mehr als gestern Mittag.

Kurz vor Redaktionsschluss war mehr als die Hälfte der Stimmen in Schöneberg-Tempelhof, einer Hochburg der Flugfreunde, ausgezählt. Gut zwei Drittel hatten sich für einen Weiterbetrieb von Tempelhof ausgesprochen, ein Drittel war dagegen. Laut Landesabstimmungsleiter Andreas Schmidt von Puskás verlief die Abstimmung bis zum Nachmittag im wesentlichen „ruhig und ohne Zwischenfälle“. Allerdings gab es Verwirrung in Tempelhof-Schöneberg. Dort hatte es, wie berichtet, durch einen elektronischen Fehler eine falsche Zuordnung der Wahllokale gegeben. Um diesen Fehler auszugleichen, sollte allen Betroffenen in einem zweiten Schreiben mitgeteilt werden, dass sie zu einem anderen Wahllokal gehen sollten. Offenbar erschienen gestern aber etliche Bürger an den „alten“ Wahllokalen. In den meisten Fällen habe das nicht zu Problemen geführt, hieß es beim Landesabstimmungsleiter. Die Betroffenen hätten trotzdem gleich an Ort und Stelle wählen können. und seien nicht gezwungen worden, zum „neuen“ Wahllokal weiterzugehen.

Allerdings gab es ein Wahllokal, das gänzlich entfallen war: eine Kita am Mariendorfer Damm 123. Ein Betroffener berichtete, dass dort nicht einmal ein Zettel mit der Adresse des richtigen Wahllokales hing. Erst durch eine mühselige telefonische Nachfrage habe er erfahren, dass er etliche Kilometer zur Carl-Sonnenschein-Schule am Hellespont 4 - 6 weiterziehen musste. Beim Landesabstimmungsleiter hieß es am Nachmittag, es sei ein Zettel angebracht worden. Falls dieser nicht mehr vorhanden sein sollte, werde man schnell Abhilfe schaffen.

Pro Abstimmungslokal waren 1000 bis 2000 Wahlberechtigte zugeordnet. Wie viele in Tempelhof wegen des fehlenden Hinweises nicht abstimmen konnten, war nicht zu erfahren. Auch nicht, ob deshalb jemand die Wahl anfechten wird. „Anfechten kann die Wahl jeder“, sagte dazu Geert Baasen, Leiter der Geschäftsstelle des Landesabstimmungsleiters.

Der Politikwissenschaftler Otmar Jung warnte den Senat davor, den Volksentscheid – sofern er erfolgreich sein sollte – allzu schnell abzuhaken: Sollte die Regierung schon in ihrer nächsten Sitzung am morgigen Dienstag abschließend entscheiden, „würde ich den Trägern des Volksbegehrens raten, vors Landesverfassungsgericht zu ziehen“. Denn der Entscheid verpflichte die Regierung, sich gründlich mit dem Thema zu befassen. Dazu könnten beispielsweise neue Gutachten gehören. In Hamburg habe sich Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zwar über einen Volksentscheid gegen die Klinik-Privatisierung hinweggesetzt, aber die Entscheidung sei erst vier Monate nach der Abstimmung gefällt worden. „Der Volksentscheid ist mitnichten nur eine Meinungsumfrage“, sagte Jung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })