Brandenburg: Lehrer verprügelt – und nichts passiert
Schule empört: Vielfachtäter weiter auf freiem Fuß / Jugendliche, die Lehrer schützten, wurden geehrt
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Berlin - Verstehen kann das niemand an der Röntgen-Schule in Berlin-Neukölln. Nach dem Angriff eines 17-jährigen, schulfremden Wiederholungstäters auf einen Lehrer der Schule empört Lehrer und Schüler, dass der polizeibekannte Jugendliche frei in der Nachbarschaft der Schule herumläuft. „Das stört das Gerechtigkeitsempfinden der Schüler“, heißt es aus dem Kollegium. „Es gibt eine Lücke zwischen Freiheit und Haft“, bestätigt Neuköllns Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD). Er fordert, dass eine schwere Körperverletzung zu schnellen Konsequenzen führen müsse.
Wie berichtet, war vor acht Tagen ein Lehrer derart geschlagen worden, dass sein Hörempfinden immer noch gestört ist. Die Schüler, die ihm zu Hilfe kamen und den schulfremden Marko M. abdrängten, wurden gestern von der Polizei belobigt. Dennoch bleibt an der Schule Empörung darüber, dass der Täter, dem schon 20 Delikte wie Körperverletzung und Raub zur Last gelegt werden, in seiner Freiheit nicht beeinträchtigt ist. Da weder Flucht- noch Verdunklungsgefahr bestehe, gebe es keinen Haftgrund, habe man der Schule gesagt, berichtet Schulleiterin Marlis Meinicke-Dietrich.
„Bei uns an der Schule gibt es keine Gewalt, und die Schüler finden das krass, dass der unseren Lehrer angegriffen hat und immer noch frei rumläuft“, sagten gestern zwei Schülerinnen, die dabei waren, als ihre Mitschüler von der Polizei belobigt wurden.
Die beiden 16-Jährigen palästinensischer Herkunft verließen die Polizeimeldestelle an der Sonnenallee strahlend – und einem Handtuch mit Bezirkslogo, einem Kino-Gutschein sowie einer Urkunde der Polizei. „Unsere Eltern sind voll stolz“, sagten die beiden, die den Täter auf dem Hof „einfach genommen und weggetragen haben“. Dass sogar die „ARD-Tagesthemen“ berichteten, erfülle sie ebenso mit Stolz.
Umso unverständlicher ist für sie, dass der Täter unbehelligt ist. Dass solche Freiräume sowohl für den Täter als auch für seine Umgebung ungünstig sind, bestätigt der Berliner Kriminologe Claudius Ohder, der sich mit jugendlichen Intensivtätern beschäftigt hat. Wenn lange Verfahrensdauern nicht zu verhindern seien, müsse man zumindest dafür sorgen, dass die Sanktionen richtig vermittelt werden. „Den Schülern muss klar gemacht werden, dass der Täter nicht straffrei ausgeht“, plädiert Ohder. Zudem müsse dem Täter „jede Art der Legitimation genommen werden“. Es sei zudem wichtig, dem Täter das gesamte Verfahren und die Strafe plausibel zu machen. Es komme beispielsweise vor, dass ein Verfahren wegen Körperverletzung eingestellt wird, weil danach noch schwere Täten folgten. „Der Täter hat dann das Gefühl, dass die Justiz würfelt“, hat Ohder bei den Gesprächen mit jungen Intensivtätern erfahren.
Wann Marko M. vor Gericht kommt, ist unklar. Es gibt beim Jugendgericht vereinfachte Verfahren, die dank weniger Formalien schneller beginnen können. Ob das in diesem Fall greift, war gestern nicht zu ermitteln. Marko M. musste wegen seiner Vergehen bereits häufig die Schule wechseln. Die Politik hatte zwischenzeitlich erwogen, diese Schüler in gesonderten Schulen zusammenzufassen. Beendet wurde diese Debatte nicht. Annette Kögel, Susanne Vieth-Entus
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