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Brandenburg: Linke beschwört Richtungswahl
Die Sozialisten in Brandenburg beschließen ohne größere Konflikte ihr Wahlprogramm und setzen alles auf eine Fortsetzung von Rot-Rot und warnen vor der CDU
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Cottbus - Brandenburgs Linke will nach fünf Jahren rot-roter Koalition mit der SPD den Nachweis führen, dass die Partei durch eine Regierungsbeteiligung nicht verlieren muss. Bei ihrem Parteitag am Samstag in Cottbus verabschiedete die Partei mit großer Mehrheit ihr Wahlprogramm für die Landtagswahl am 14. September und setzt weiter auf ein rot-rotes Bündnis mit der SPD. Im Vergleich zu früheren Parteitagen ging die Debatte überraschend konfliktfrei vor sich und streifte die sonst üblichen heißen Streitthema Braunkohle, neue Tagebaue und Kraftwerke nur am Rande.
Landesparteichef Christian Görke, der Spitzenkandidat und in der rot-roten Landesregierung Finanzminister, gab als Wahlziel ein Ergebnis von „25 plus x“ Prozent aus. Bei der Landtagswahl 2009 waren die Linken mit 27,2 Prozent hinter der SPD auf Platz zwei gelandet. Nach den jüngsten Umfragen ist die Linke auf 23 Prozent gerutscht, die SPD noch leicht stärker als die CDU.
In seiner Rede zog Görke eine positive Bilanz der vergangenen fünf rot-roten Regierungsjahre, weil das Land erstmals seit 1990 Schulden abbaue, erstmals wieder Nachwuchs für den öffentlichen Dienst ausbilde und mehr neue Lehrer eingestellt wurden als mit der SPD 2009 vereinbart. „Wir haben Brandenburg sozialer gemacht“, sagte Görke, räumte aber zugleich ein, dass Rot-Rot zahlreiche Ziele nicht umsetzen konnte.
Den gerade im Bundestag beschlossenen Mindestlohn von 8,50 Euro verbuchte Görke als Erfolg der Linken in Brandenburg. „Es ist unser Baby“, sagte er. Auf Druck der Linken in Brandenburg war bereits vor Jahren ein Vergabegesetz mit einem Mindeststundenlohn von 8,50 Euro für Staatsaufträge eingeführt worden. Ein Schlüsselvorhaben der Linken nach der Landtagswahl sei die Anhebung des Mindestlohns auf zehn Euro, sagte Görke. Zudem spricht sich die Linke für ein Investitionsprogramm von 500 Millionen Euro für Kommunen, 800 zusätzliche Lehrer sowie 1500 neue Erzieher in den Kindertagesstätten für einen besseren Betreuungsschlüssel aus. Insgesamt 800 Millionen Euro sollen die Wahlversprechen zusätzlich kosten, mehr als die der SPD, weniger als die CDU ausgeben will. Bei einigen Forderungen dürfte die Linke auf Konflikte mit der SPD zusteuern, etwa bei der Forderung nach Gemeinschaftsschulen. „Sie werden kommen müssen, sonst werden wir Schulen im ländlichen Raum verlieren“, sagte Görke. Grund sind rapide sinkende Schülerzahlen in den Randregionen ab 2020. Daneben will die Linke den Personalabbau im öffentlichen Dienst stoppen. Die Zahl der Beschäftigten werde nicht wie bislang geplant auf 43 000 sinken. „Es wird ein Plus geben“, sagte Görke.
Bei der Braunkohle räumte die Parteiführung bereits im Vorfeld weitere innerparteiliche Konflikte aus dem Weg. 2009 hatte die Partei noch die gescheiterte Volksinitiative gegen neue Tagebaue unterstützt, musste sich nun aber Unglaubwürdigkeit vorwerfen lassen, weil sie im Juni im Kabinett dem neuen Tagebau Welzow-Süd II zustimmte. Deshalb protestierten vor dem Tagungshotel in Cottbus Kohlegegner – aber auch Bergbau-Gewerkschafter, die ihre Jobs bedroht sehen. Denn die Linke will den Kohleausstieg bis zum Jahr 2040 sowie keine weiteren neuen Tagebaue und Kraftwerke in der Lausitz. 2015 soll das Braunkohleplanverfahren für den Tagebau Jänschwalde-Nord eingestellt werden. „Wie leben nicht im Wolkenkuckucksheim und wir regieren nicht allein“, sagte Görke. Mit der SPD werde es um die Energiepolitik „harte Debatten“ geben. Selbst Ralf Christoffers schloss ein neues Kraftwerk aus und hält einen weiteren neuen Tagebau für nicht erforderlich.
Harte Debatte um die Braunkohle blieben jedoch aus. Lediglich René Schuster und Norbert Wilke von der Umweltgruppe der Landeslinken übten harsche Kritik. Schuster sagte, das Wahlprogramm könne er mittragen, aber es komme auf das Regierungshandeln an wie schon nach 2009 – die Bilanz sei verheerend. Dabei griff Schuster Christoffers direkt an: „So mancher in der Landesregierung redet vom Kohleausstieg 2040 – er arbeitet am Gegenteil.“ Christoffers habe Beschlüsse der Partei konsequent und über Jahre missachtet. Nun solle mit Proschim das 137. Dorf in der Lausitz der Kohle geopfert werden. Als Folge des Wortbruchs in der Kohlepolitik seien zahlreiche Mitglieder in der Lausitz aus der Linke ausgetreten. „Wir haben Vertrauen verloren und verschenken Wählerstimmen“, sagte Wilke. Der Applaus für die Kohlegegner war verhalten, breite Unterstützung fanden sie nicht.
Helmuth Markov, für die Linke Vize-Ministerpräsident und Justizminister in der rot-roten Regierung, verteidigte die Kohlepolitik der Linken in Brandenburg. „Unter Rot-Schwarz würde nicht einmal ansatzweise darüber nachgedacht, dass Braunkohle nur eine Brückentechnologie ist. Uns nimmt man es übel, wenn es nicht schnell genug geht, bei den anderen beiden Truppen erwartet man das gar nicht“, sagte Markov mit Blick auf SPD und CDU. „Wir bemühen uns, den Ausstieg schneller zu schaffen.“
Markov stimmte die Partei zudem mit einer kämpferischen Rede auf den Wahlkampf ein und sprach von einer Richtungsentscheidung für Brandenburg zwischen Rot-Rot und Rot-Schwarz. „Die Linke macht den Unterschied. Entweder wir treiben die soziale Erneuerung voran oder fallen in konservative Denkstrukturen, in das rückwärtsgewandte Gesellschaftsbild der CDU.“ Kehre die CDU in die Regierung zurück, drohe eine Politik, die auf Billiglöhne für Arbeitnehmer und Gewinnmaximierung der Elite setze. Rot-Rot dagegen stehe für soziale Politik, die auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Gemeinwohl setze. „Wir waren immer die Kümmererpartei und das müssen wir bleiben“, sagte Markov.
Für die Neuauflage des rot-roten Bündnisses mit der SPD verabschiedet sich die Linke übrigens auch von ihrem Slogan „100 Prozent sozial“. Das Wahlprogramm trägt den Titel: „Soziales Brandenburg“. Der Kommentar eines Parteitagsdelegierten zum Wahlprogramm am Rednerpult: „Früher haben wir reingeschrieben, was wir wollen. Heute fassen wir es so, dass am Ende jeder sagen kann, er hat recht.“ Immerhin sollen nach der Wahl die Mitglieder in einem Entscheid über eine Regierungsbeteiligung abstimmen und den Koalitionsvertrag abnicken. So hatte es bereits die SPD nach der Bundestagswahl 2013 gemacht.
Die Generalsekretärin der Landes-CDU, Anja Heinrich, warf der Linken vor, Wahlversprechen gebrochen oder in der Regierung kaum umgesetzt zu haben. Das Armutsrisiko für Erwachsene und Kinder sei in Brandenburg mit der Linken in Regierungsverantwortung so stark gestiegen wie nirgends sonst in Deutschland.
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