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Brandenburg: Linke-Chefin mit neuer Gauck-Attacke Eklat im Landtag überschattet Bilanzdebatte von Rot-Rot: Fraktionsvorsitzende Mächtig verteidgt Müller

Potsdam - Ein paar Sätze waren es nur. Und Margitta Mächtig machte ohne Not alles schlimmer.

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Potsdam - Ein paar Sätze waren es nur. Und Margitta Mächtig machte ohne Not alles schlimmer. Die Fraktionschefin der Linken hat im Streit um den Potsdamer Landtagsabgeordneten Norbert Müller, der Bundespräsident Joachim Gauck als „widerlichen Kriegshetzer“ geschmäht hatte, was seitdem bundesweit Wogen schlägt, gleich noch selbst einen Eklat verursacht. Im Verlauf einer Plenardebatte im Landtag, in der die fünfjährige rot-rote Regierungszeit bilanziert wurde, nahm Mächtig am Donnerstag Müller ausdrücklich in Schutz, ja verschärfte dessen Angriff auf den Bundespräsidenten sogar noch. In Anspielung auf Gauck sagte Mächtig: „Es waren immer Silberrücken und Grauhaarige, die jüngere Generationen in Kriege geschickt haben. Ich finde deshalb, dass ein junger Mann wie Norbert Müller das Recht hat, emotionaler zu reagieren.“

Selbst innerhalb der SPD schüttelte man den Kopf über die Unprofessionalität und Instinktlosigkeit Mächtigs, die der Opposition damit eine Steilvorlage lieferte. SPD-Fraktionschef Klaus Ness, der am Vortag eine Distanzierung Müllers gefordert hatte, wollte die Aussage der Linke-Chefin nicht kommentieren.

CDU-Fraktionsvize Dieter Dombrowski nannte die Mächtig-Äußerungen eine „Schande für unser Land“. Sie habe den Angriff Müllers auf den Bundespräsidenten noch verstärkt, dem Abgeordneten „Absolution erteilt“. FDP-Fraktionchef Andreas Büttner forderte den Rücktritt der Linke-Fraktionschefin. „Sie hat sich disqualifiziert“, sagte er. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte: „Das ist eine inakzeptable Grenzüberschreitung. Die Linke hat wieder einmal deutlich gemacht, dass sie Joachim Gauck nicht als ihren Bundespräsidenten ansieht.“

Der hatte zuvor mitteilen lassen, dass er die Äußerungen Müllers nicht strafrechtlich verfolgen lassen will. Man werde keine Strafverfolgungsermächtigung erteilen, so eine Sprecherin. Nachdem Müller die Schmähung auf seiner Facebook-Seite öffentlich machte, hatte sich die Staatsanwaltschaft Potsdam eingeschaltet. Nach Paragraf 90 des Strafgesetzbuches droht bei Verunglimpfung des Bundespräsidenten eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Eine solche Tat wird aber nur mit Ermächtigung des Staatsoberhauptes verfolgt. Müller hatte auf seiner Facebook-Seite Äußerungen des Bundespräsidenten zur deutschen Außenpolitik so kommentiert: „Mancher bleibt sich treu. Andere werden Bundespräsident und widerliche Kriegshetzer.“

Das schlug Wellen bis in den Bundestag. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi hatte nach heftiger Kritik von CDU und SPD erklärt, Müller habe sich „falsch ausgedrückt“. Nun aber legte Mächtig noch nach. Und das zum Ende der von den Linken selbst beantragten Aktuellen Stunde zur rot-roten Regierungsbilanz, was prompt in den Hintergrund geriet.

Dabei hatte Linke-Vizeregierungschef Helmuth Markov, derzeit Justizminister, vorher gerade einen Punkt gesetzt. Markov listete Erfolge auf, räumte aber ein, dass die Koalition nicht alles geschafft habe, was sie sich vorgenommen hatte, „so wie keine Regierung in der Welt“. Ja, und auch, dass der BER „keine Erfolgsstory“ sei. Er dankte Ex-Regierungschef Matthias Platzeck für den Mut zu Rot-Rot. „Dass du vorher zehn Jahre Rot-Schwarz gemacht hast, habe ich nie verstanden.“ Aber Rot-Rot könne nicht „in nur einer Legislaturperiode die Fehlentwicklungen von zehn Jahren Rot-Schwarz korrigieren“.

In der Debatte vorher hatten CDU, Grüne und FDP Defizite, Versäumnisse und Missstände von Rot-Rot kritisiert, SPD und Linken Schönfärberei vorgeworfen. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Ingo Senftleben, der merkwürdigerweise als Hauptredner der Union sprach, und nicht Fraktionschef und Spitzenkandidat Michael Schierack, hielt der Regierung etwa eine Million ausgefallene Unterrichtsstunden vor. „4000 Schüler hatten deshalb keine Noten auf den Zeugnissen“, sagte er. FDP–Fraktionschef Andreas Büttner sagte: „Sie sind sich selbst genug! Selbstzufriedenheit zeichnet Sie aus!“ Und Grünen-Fraktionschef Axel Vogel hielt der Koalition vor, Gemeinsinn zu predigen, „doch Gemeinsinn wird von den Opfern rot-roter Politik erwartet“. Von BER-Fluglärmbetroffenen, freien Schulen, Dorfbewohnern an neuen Megatierställen oder 800 Bewohnern von Proschim, die dem Tagebau weichen sollen.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verwies dagegen auf die unter zehn Prozent gesunkene Arbeitslosenquote, den Zuwachs an neuen Jobs im Land, und die 2800 neu eingestellten Lehrer. „Das war uns nicht in die Wiege gelegt. Und natürlich gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit“, sagte Woidke. Wie SPD-Fraktionschef Klaus Ness griff Woidke CDU-Spitzenkandidat Michael Schierack direkt an, weil der eine Koalition mit der europakritischen Alternative für Deutschland (AfD) nicht ausschließen will. „Die Leute interessiert es schon, ob die CDU darüber nachdenkt, in diesem Land eine rechtskonservative Regierung zu bilden“, sagte Woidke, der von „deutlicher Führungsschwäche in der Brandenburger CDU“ sprach.

SPD-Fraktionschef Klaus Ness warf Schierack vor, er mache die AfD für die Landtagswahl hoffähig, weil er eine Koalition nicht ausdrücklich ausschließe. Zugleich stellte er die AfD als Sammelbecken für Neu-Rechte und Verschwörungstheoretiker dar. Bei den Mitgliedern reiche das Spektrum von früheren Mitarbeitern der Rechtsaußen-Zeitung „Junge Freiheit“ bis ins rechtsextreme Lager.

Schierack, der dann doch noch ans Mikro trat, unmittelbar nach Woidke sprach, ging darauf nicht ein. Auch zur AfD äußerte sich Schierack erneut nicht. Die CDU behaupte nicht, dass die Regierung alles falsch gemacht habe, sagte Schierack nur. „Ich behaupte auch nicht, dass wir alles richtig gemacht haben. Aber ein bisschen Selbstkritik wäre schon angezeigt.“

nbsp;Thorsten Metzner

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