Von Thorsten Metzner: Linke distanziert sich von SED-Diktatur
„Kleiner Parteitag“ bekräftigt Stasi-Überprüfung von Mandatsträgern / Kritik von CDU und Grünen
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Potsdam – Brandenburgs Landespolitik streitet weiter über Konsequenzen aus den Stasi-Enthüllungen bei den Linken im Landtag, die das rot-rote Regierungsbündnis in den letzten Wochen erschüttert haben. Am Wochenende sprach sich SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke dafür aus, die Möglichkeit zur Stasi-Regelüberprüfung für Parlamente für die nächste Legislaturperiode ab 2014 zu verlängern. Eigentlich läuft diese ab 2011 aus. „Ich bin aus der jetzigen Erfahrung heraus dagegen“, sagte Woidke der in Cottbus erscheinenden Lausitzer Rundschau. Brandenburgs Linke wiederum distanzierte sich auf einem „Kleinen Parteitag“ in Potsdam demonstrativ von SED-Diktatur und Stalinismus. Die rund einhundertvierzig Teilnehmer, darunter alle Kreischefs, der Landesvorstand und die Landtagsfraktion, verabschiedeten einstimmig eine Erklärung, nach der Linke-Mandatsträger vor Kandidaturen auch künftig zur Offenlegung ihre DDR-Biographie, einschließlich Stasi-Verstrickungen, verpflichtet sind. „Die Offenlegung der politischen Biografien ist und bleibt ... für uns keine Formalie“, heißt es darin. Ein entsprechender Beschluss aus dem Jahr 1991 wurde damit bekräftigt. Die Basis bestätigte in dem Beschluss ausdrücklich das Vorgehen der Linke-Führung bei den Stasi-Fällen Gerd-Rüdiger Hoffmann und Renate Adolph. Hoffmann war wegen seiner bis zuletzt verheimlichten IM-Tätigkeit aus der Landtagsfraktion ausgeschlossen und – vergeblich – zum Mandatsverzicht aufgefordert worden. Adolph hat ihr Mandat niedergelegt. „Sie haben auch nach der Wahl ihre eigene Partei und Fraktion getäuscht“, so die Erklärung.
Zur früheren Vizepräsidentin des Landtages Gerlinde Stobrawa, die wegen Stasi-Vorwürfen zurückgetreten war, aber ihr Landtagsmandat behalten will, findet sich keine Aussage. Unterdessen kritisierte Woidke, dass Stobrawa abgetaucht ist. Sie wäre „gut beraten, offen damit umzugehen“, sagte er. „Sie hat ja erklärt, dass sie schon 1991 vor einer Kommission alles offengelegt hat.“ Er würde sich wünschen, dass sie offene Fragen beantwortet. Vor dem „Kleinen Parteitag“ der Linken hatte Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) seine Erwartung bekräftigt, dass die Linke auch in den Tiefen der Partei „Klarschiff“ im Umgang mit der Vergangenheit macht (PNN berichteten). Dennoch war offen, welchen Rückhalt Parteichef Nord und Fraktionschefin Kerstin Kaiser – selbst beide frühere Stasi-IM – für diesen Kurs haben. Der Anwalt, der Hoffmann vertritt, der letzte DDR-Innenminister und frühere CDU-Politiker Peter Michael Diestel, hatte Nord und Kaiser Unglaubwürdigkeit vorgeworfen: „Die Stasi jagt die Stasi.“
Nach der Erklärung des „Kleinen Parteitages“, die nach dreistündiger Debatte hinter verschlossenen Türen verabschiedet wurde, übernimmt die Linke die „Verantwortung für den Vertrauensverlust“ nach den Stasi–Enthüllungen in den eigenen Reihen. Außerdem wird auf die „spezifische Verantwortung“ als SED-Nachfolgepartei für die Verhältnisse in der DDR verwiesen: „Nicht wenige Menschen haben unter der Enge der DDR, unter der Abschottung ... gelitten, sind um berufliche und Bildungschancen gebracht, sind ihrer Würde und auch ihrer individuellen Freiheit beraubt worden oder sogar zu Tode gekommen“. Die SED habe sich dafür im Dezember 1989 bei den Ostdeutschen entschuldigt. „Diese damalige Entschuldigung und unseren unwiderruflichen Bruch mit dem Stalinismus als System bekräftigen wir heute.“ Diese Linie soll nun noch ein Landesparteitag im März 2010 förmlich bestätigen.
Die Reaktionen darauf fielen kontrovers aus. Scharfe Kritik kam von der CDU-Opposition. „Statt eines klaren Bekenntnisses zur Aufarbeitung der Geschichte und zur Übernahme von Verantwortung für von der SED und der Stasi begangenes Unrecht erschöpft sich die gefasste Erklärung der Linkspartei in leeren Worthülsen“, erklärte CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski. „Die nun gefassten Beschlüsse der Linkspartei werfen ein bezeichnendes Licht auf die weit verbreitete Geisteshaltung in den Tiefen der Partei.“
Grünen-Landeschefin Annalena Baerbock sagte: „Wir hatten eigentlich erwartet, dass nach dem Parteitag klare Eckpunkte für den Umgang mit Abgeordneten festgelegt werden, die ihre Vergangenheit nicht offen gelegt haben.“ Verwunderlich sei, der Fall Stobrawa ausgeklammert werde. Auch finde sich „kein Wort zu Täter-Opfer-Gesprächen.“
Für den heutigen Montagabend hat die Bürgerinitiative „Politik in der Mitte“ wieder zu einer Montagsdemonstration in Potsdam gegen die „rot-rote Stasi-Koalition“ aufgerufen. Bei der Auftaktdemonstration mit rund 200 Teilnehmern vor einer Woche waren – wie von Teilen der CDU und anfänglich auch von der FDP - vorzeitige Neuwahlen gefordert worden. Eine übergroße Mehrheit im Land lehnt Neuwahlen trotz der rot-roten Stasi-Krise der letzten Wochen allerdings ab. Zu diesem Ergebnis kommt nach PNN-Informationen auch eine von der CDU in Auftrag gegebene, bislang nicht veröffentlichte repräsentative Meinungsumfrage, die dem Vernehmen nach aber in den Trends mit dem jüngsten Brandenburg-Politbarometer von Infratest-dimap im Auftrag von MAZ und RBB übereinstimmt. Danach ist seit der Landtagswahl die SPD in der Wählergunst von 33 auf 31 Prozent leicht gefallen, während die Linken von 27 auf 23 Prozent absackte. Die Union konnte von 19,8 auf 25 Prozent zulegen. Die Grünen liegen bei 7 Prozent, die FDP ebenfalls bei 7 Prozent.
Der Umgang mit dem Stasi-Erbe wird am Mittwoch erneut den Landtag beschäftigen, der zum letzten Mal in diesem Jahr tagt. Auf der Tagesordnung steht auch die Wahl der früheren DDR-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe zur ersten Stasi-Landesbeauftragten Brandenburgs.
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