Eskalation um Braunkohleausstieg: Linke-Spitze sucht Wege aus der Energiekrise
Sie haben bisher geschwiegen: Doch jetzt melden sich Thomas Nord und Stefan Ludwig, der alte und der neue Parteichef, im Richtungsstreit zu Wort.
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Potsdam - Brandenburgs Linken-Spitze versucht eine drohende rot-rote Koalitionskrise zur Energiepolitik abzuwenden. Nach den jüngsten innerparteilichen Eskalationen um Klimaschutz und Braunkohleausstieg melden sich nun erstmals der designierte Parteichef Stefan Ludwig und der bisherige Vorsitzende Thomas Nord zu Wort: Beide Linke-Spitzenpolitiker warnen vor einem Bruch des rot-roten Koalitionsvertrages. Dies wäre der Fall, so sagten es Ludwig und Nord am Wochenende übereinstimmend gegenüber den PNN, wenn die Partei versuchen würde, über die von der rot-roten Regierung für Anfang 2012 angekündigte neue „Energiestrategie 2030“ ein Nein für neue Braunkohlekraftwerke und damit den vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle ab 2025 durchzusetzen. „Das ist nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt“, erklärte Ludwig, derzeit Vizechef von Landespartei und -fraktion am Rande einer Leitbild-Konferenz der Linken in Potsdam. Er habe Verständnis, dass „ein Ministerpräsident da sensibel reagiert“. Er sei sich aber sicher, dass die Mehrheit in der Partei hinter dem Koalitionsvertrag stehe. Tatsächlich hatte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) über seinen Staatskanzleichef Albrecht Gerber Forderungen nach einem vorzeitigen Kohleausstieg als unvereinbar mit dem Koalitionsvertrag zurückgewiesen. Nord sagte, die Forderung nach einem Verzicht auf neue Kraftwerke ab 2020/25 „geht über den Koalitionsvertrag hinaus“. Dennoch sei es eine schwierige Debatte, weil sie für das Linke-Selbstverstständnis von Symbolkraft sei.
Doch widersprachen Nord und Ludwig damit – im Einklang mit der SPD-Interpretation des Vertrages – Stimmen in den eigenen Reihen, die den Koalitionsvertrag entgegengesetzt auslegen. Wie berichtet rumort es bei den Linken, ist der Richtungsstreit eskaliert. Umweltministerin Anita Tack, Teile der Landtagsfraktion, einige Kreischefs und die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Dagmar Enkelmann, drängen darauf, in der „Energiestrategie 2030“ den Verzicht auf ein ab 2025 nötiges Ersatzkohlekraftwerk für den „Klimakiller“ Jänschwalde festzuschreiben, da Brandenburg nur so Klimaschutzziele zur erheblichen Reduzierung der Kohlendioxidemissionen einhalten könnte. Linke-Wirtschaftsminister Ralf Christoffers, der die Strategie bald vorlegen wird, lehnt dies ab. Vorige Woche war es auf einer internen Sitzung zum offenen Krach zwischen beiden Linke-Ministern gekommen. Und der Abgeordnete Michael-Egidius Luthardt droht offen mit „Konsequenzen“, wenn sich die rot-rote Regierung und damit die Linke zugunsten der Braunkohle ohne die – ebenfalls abgelehnte – CCS-Technologie zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (CO2) von ihren Klimaschutzzielen verabschiede. Luthardt und andere berufen sich auf einen Passus im Koalitionsvertrag, wonach es neue Kraftwerke in Brandenburg nur geben soll, wenn damit eine „erhebliche“ Reduktion des Kohlendioxidausstoßes verbunden ist. Und darauf, dass dabei auf die in der aktuellen Energiestratie 2020 festgeschriebenen CO2-Reduktionsziele verwiesen wird. Für die SPD-Seite – nun gestützt von Nord und Ludwig – ist der Passus entscheidend, wonach Braunkohle-Nutzung in Brandenburg solange erforderlich sei, bis der Industriestandort „Deutschland“ seinen Energiebedarf sicher und mit wettbewerbsfähigen Preisen aus Erneuerbaren Energien decken kann.
Die „Energiekrise“ begleitete den landesweiten Auftakt zur Linke-Strategiedebatte, der mit 80 Teilnehmern allerdings nur mäßige Resonanz fand. Offene Konfrontationen blieben auf der Veranstaltung aus. Tack und Christoffers gingen in einer Podiumsdiskussion betont freundlich miteinander um, warben aber beide für ihre Positionen. Tack hielt ein Plädoyer für eine nachhaltige Politik, für eine „Einhaltung bisheriger Klimaschutzziele Brandenburgs“, „sonst wäre ich eine schlechte Umweltministerin.“ Und Christoffers sagte, neben Nachhaltigkeit müsse „Energie versorgungssicher und sozial bezahlbar bleiben“. Er deutete an, dass es in der Energiestrategie eine „Revisionsklausel“ geben könnte, also eine permanente Überprüfung, ob ein Braunkohleausstieg bereits möglich sei – gekoppelt an das reale Ausbautempo Erneuerbarer Energien. Nord riet zu „Gelassenheit“, da bis 2014 ohnehin der Bau eines neuen Kohlekraftwerkes durch den Energiekonzern Vattenfall nicht anstehe. Das als Klimakiller geltende, veraltete Kraftwerk Jänschwalde wird gegen 2025 abgeschaltet, ein Ersatz ist unklar. Er ist umstritten, weil das die Fortführung der Kohleverstromung hieße. Die Linke will einen Ausstieg bis 2040. Entschärft ist der Konflikt nicht. Auf dem Parteitag im Februar 2012, auf dem Ludwig Nord beerben soll, wird es einen Antrag gegen neue klimaschädliche Kohlekraftwerke geben.
Die Linke will bis 2013 ihr Leitbild „Brandenburg 2020“ fortschreiben, als Grundlage für das Landtagswahlprogramm. Auf der Konferenz wurde vereinzelt Kritik geübt, dass das Profil der Brandenburger Linken blasser, „der Markenkern undeutlich“ geworden ist, wie es hieß. Nord kündigte an, dass sich die Linke stärker um ihre originäre Wählerklientel kümmern wolle, eine Lehre aus der Niederlage in Berlin. Andererseits warnte er vor überzogenen Erwartungen, die Linke vertrete ein Viertel der brandenburgischen Bevölkerung. „Das sagt etwas über Kräfteverhältnisse aus, und über das, was wir durchsetzen können.“ Ziel sei es, weiter „auf Augenhöhe mit der SPD Politik zu machen“.
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