Brandenburg: Luftschlacht der Gutachter
Tempelhof: Bundesfinanzminister hält den Weiterbetrieb für machbar. Fachleute sehen rechtliche Risiken
- Werner van Bebber
- Ulrich Zawatka-Gerlach
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Berlin - Das mit Spannung erwartete Gutachten für das Bundesfinanzministerium (BMF), das gestern veröffentlicht wurde, hält einen Weiterbetrieb von Tempelhof als Sonderflughafen für kleinere Maschinen für möglich. Andere Juristen bezweifeln dies. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stellte gestern in der SPD-Abgeordnetenhausfraktion klar, dass der Senat an der Schließung des Flughafens Tempelhof 2008 festhalten wird. Er will dies morgen vor dem Landesparlament öffentlich begründen. Wowereit hat mit dem Bundesfinanzminister Peer Steinbrück bereits über seine Position gesprochen.
Die Kölner Anwaltskanzlei Lenz und Johlen hatte im Auftrag des Ministeriums analysiert, ob Tempelhof weiter betrieben werden kann, ohne den Bau des Großflughafens in Schönefeld (BBI) zu gefährden. Die Gutachter kommen zum Ergebnis, dass der geltende Landesentwicklungsplan selbst „einem eingeschränkten Flugbetrieb in Tempelhof entgegensteht“. Sollte der Flugbetrieb in Tempelhof nach der Eröffnung von BBI trotzdem fortgesetzt werden, führe dies trotzdem „nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses“. Tempelhof könnte als „Sonderflughafen“ betrieben werden, der nur einem begrenzten Nutzerkreis offen steht.
Allerdings bleibe ein Risiko, schreiben auch die Gutachter. Mit einer so genannten Feststellungsklage beim Bundesverwaltungsgericht könnte aber geklärt werden, ob die Offenhaltung Tempelhofs rechtens wäre. Als Kläger kämen die Betreibergesellschaft des Großflughafens, die Bahn oder Berlin in Frage. Die Juristen räumten aber ein, dass die Klagebefugnis „mit Unsicherheiten behaftet“ sei. Genau daran entzündet sich die Kritik. Das Gutachten sei „realitätsfremd und rechtlich unhaltbar“, urteilen die Anwälte Reiner Geulen und Remo Klinger in einer Stellungnahme für die SPD-Fraktion. Feststellungsklagen, die nur abstrakte Rechtsfragen klären, seien „verwaltungsprozessual unzulässig“. Zwar könne Brandenburg gegen die beim Bundesverwaltungsgericht noch anhängigen Klagen der Schönefelder Flughafengegner eine Widerklage erheben. Damit werde dann aber ein neues Verfahren eröffnet, das zu einer „Verschiebung der endgültigen Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses für BBI auf unabsehbare Zeit führt“. Und es drohe ein neuer Baustopp-Antrag. Auch sei ein Tempelhofer Sonderflughafen „abwägungsrechtlich bedenklich“. Die Flächenbeanspruchung und der Lärm zu Gunsten eines Investors mitten in der Stadt könne „schwerlich die Belange der Öffentlichkeit an einer Nachnutzung Tempelhofs überwiegen“. Professor Elmar Giemulla von der Technischen Universität Berlin ist ebenfalls skeptisch, was die Klagemöglichkeiten im Rahmen einer Feststellungsklage angeht. Er fände den Vorschlag „komisch“, sagte Giemulla: Dass der Senat auf Feststellung dessen klage, was er dürfe und was nicht – das gebe es nicht. Zudem gebe es für eine Klage beim Bundesverwaltungsgericht Zulässigkeitshürden. Der Kläger müsse nachweisen, wodurch der Planfeststellungsbeschluss die Rechte des Klägers verletze. Dennoch sieht der Fachmann für Luftverkehrsrecht noch Möglichkeiten, den Betrieb in Tempelhof aufrecht zu erhalten. Man könne diskutieren, ob ein Sonderflughafen überhaupt gegen den Planfeststellungsbeschluss verstieße. Oder man warte, bis vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Klagen mehr anhängig sind – und verlängere dann die Genehmigung für Tempelhof. Rechtlich sei dagegen nichts zu machen, sagt Giemulla. Politisch wäre dies Vorgehen allerdings ziemlich heikel. Der Freiburger Verwaltungsrechtler Reinhard Sparwasser sagt hingegen, eine Planfeststellungsklage wäre zulässig. Oder der Senat könnte „im Wege der Änderungsgenehmigung“ beschließen, dass der Tempelhofer Flughafen für bestimmte Arten des Flugbetriebes offen bleibe. Das könne zu einem Rechtsstreit um die Änderungsgenehmigung führen und zur verbindlichen Klärung dessen, was in Tempelhof möglich ist.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) unterstützt die Position Wowereits. Neue Risiken für den Bau des BBI würden beide Länder nicht eingehen, betonte der Politiker. „Daran ändert auch das neue Gutachten des Bundesfinanzministeriums nichts, weil der Planfeststellungsbeschluss für BBI darauf aufbaut, dass für den neuen Flughafen die innerstädtischen Altflughäfen Tegel und Tempelhof geschlossen werden.“
(mit ddp)
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