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Brandenburg: Märkischer Knast für 300 Berliner Strafgefangene

Neues Angebot aus Potsdam bringt Bewegung in die Gespräche um Haftplätze

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Potsdam – Die Verlegung von Berliner Strafgefangenen in Brandenburgs leere Haftanstalten ist nach PNN-Informationen nicht vom Tisch. Zwischen der Landesregierung in Potsdam und dem Senat wird trotz erster energischer Absagen aus Berlin hinter den Kulissen an einer Einigung gearbeitet. Wie es aus beiden rot-roten Regierungskoalitionen hieß, liegt der Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD, ein konkretes Angebot ihres brandenburgischen Amtskollegen Volkmar Schöneburg (Linke) vor. Demnach könnten 300 Gefangene aus Berlin in märkischen Justizvollzugsanstalten (JVA) ihre Haft absitzen, wobei es offenbar um die Anstalt in Wulkow bei Neuruppin geht, was aber niemand bestätigen wollte.

Es handelt sich wie von Berlin gefordert um Haftplätze in modernsten Gefängnissen mit Möglichkeiten für Arbeit, Ausbildung und Behandlungsstationen. Ausdrücklich gilt das Angebot unabhängig von den Berliner Plänen für den JVA-Neubau Heidering in Großbeeren (Teltow-Fläming), den von der Aue einer Verlegung vehement vorzieht.

Wegen knapper Kassen hat auch im Berliner Senat und den Regierungsfraktionen von SPD und Linke im Abgeordnetenhaus ein Umdenken eingesetzt. Es gebe Handlungsbedarf, hieß es von mehreren Seiten. Allerdings gestalteten sich die Verhandlungen mit von der Aue, bis 2006 Präsidentin des Landesrechnungshofs in Potsdam, schwierig. Auf Arbeitsebene sei aber Bewegung in die Sache gekommen, es werde eifrig am Gesprächsfaden gesponnen. Weil eine Einigung aber noch auf der Kippe steht, hält sich die Landesregierung in Potsdam bedeckt. Der Chef der Potsdamer Staatskanzlei, Albrecht Gerber, lehnte jeden Kommentar ab. Schöneburgs Sprecher, Frank Schauka, bestätigte lediglich, „dass es ein Angebot gibt“, wollte sich aber nicht näher äußern. Die Berliner Justizverwaltung dagegen bestätigte das neue Schreiben aus Potsdam nicht. „Auch wenn es das gäbe, reicht es nicht aus. Wir brauchen 650 Haftplätze, nicht nur 300“, sagte Justizsenatssprecher Bernhard Schodrowski. Ohnehin sei eine Verlegung nicht einfach möglich und an rechtliche Vorgaben gebunden.

Bereits zu Jahresbeginn hatte Schöneburg seiner Berliner Amtskollegin eine engere Kooperation angeboten, die das aber brüsk zurückwies. Das Argument des Ministers sind pure Zahlen: Von 2300 Haftplätzen sind in Brandenburg 700 nicht belegt, die Zahl der Inhaftierten geht zurück. Wegen der Unterbelegung war sogar die Sanierung der Haftanstalt in Brandenburg/Havel gestoppt worden.

In Berlin sind die Gefängnisse dagegen überfüllt, daher plant der Senat den JVA-Neubau in Großbeeren. Dort sollen 650 Haftplätze entstehen, was Kritiker angesichts der von 80 auf 118 Millionen Euro gestiegenen Kosten für überdimensioniert halten. Von der Aue hielt bislang am Neubau eisern fest, lehnte es daher ab, Berliner Häftlinge in die Mark zu schicken. Weil es Klagen gegen die Auftragsvergabe gab, hatte sich der für vergangenen Sommer geplante Baubeginn verzögert. „Die Erdarbeiten haben inzwischen begonnen, mit den Rohbauarbeiten soll es um August oder September losgehen“, sagte Schodrowski. Allein die Planungen hätten schon 23 Millionen Euro gekostet.

Doch inzwischen wächst der Druck selbst in der Partei der Justizsenatorin, ein Baustopp wird nicht mehr ausgeschlossen. Berlins SPD-Fraktionschefs Michael Müller hat bereits Abstand von seiner Parteigenossin genommen: „Wir müssen das Projekt erneut kritisch hinterfragen.“ Derzeit suchen beide Seiten nach einem Weg, um rechtliche Hürden aus dem Weg zu räumen. Dabei geht es um einen zentralen Ablehnungsgrund, den von der Aue angeführt hatte. Denn nach einem Urteil des Berliner Kammergerichts müssen Strafgefangene wohnortnah untergebracht werden, konkret wird das auf den Speckgürtel innerhalb des Berliner Rings bezogen.

In anderen Fragen gibt es weniger Streit, daher werden einer Einigung gute Chancen eingeräumt. Eine Arbeitsgruppe arbeitet derzeit gemeinsame Standards für die Sicherungsverwahrung gefährlicher Straftäter aus, Brandenburg will diese nach Tegel verlegen. Jugendliche Gefangene aus Berlin sitzen bereits jetzt in der JVA Wriezen (Märkisch-Oderland) oder werden alternativ zur Untersuchungshaft in Frostenwalde (Uckermark) stationär betreut. Weil es gemeinsame Obergerichte gibt, sollen die Richtergesetze angepasst werden. Auch will Brandenburg die seltenen Staatsschutz-Verfahren des Oberlandesgerichts künftig am Berliner Kammergericht verhandeln lassen – wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen. Alexander Fröhlich

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