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Brandenburg: Massenhaft rechte Hetze am Ortseingang

Hundert Ortseingangsschilder und Wahlplakate im Nordwesten Brandenburgs überklebt. Neonazi-Gruppen im Visier der Behörden

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Potsdam - Es war eine abgestimmte Aktion, der Aufwand enorm – und die Polizei hat einen Verdacht. Am Freitagmorgen sind in einem Großteil des Landes Brandenburg massenhaft rechte Propagandaplakate entdeckt worden, die gegen Flüchtlinge und Politiker hetzen. Betroffen ist der gesamte Nordwesten des Landes von Potsdam, Potsdam-Mittelmark, über Brandenburg/Havel, das Havelland und Ostprignitz-Ruppin bis hinauf zur Prignitz. Die Polizeidirektionen Süd und Ost erklärten auf PNN-Anfrage, dort habe es die rechte Hetz-Aktion entgegen anders lautender Berichte nicht gegeben.

In Potsdam-Mittelmark sind vor allem Wahlplakate der SPD zur Landratswahl an diesem Sonntag betroffen. Etwa 20 Großplakate sind überklebt worden mit dem Spruch „Wählt keine Volksverräter“. Auch je mindestens zwei Wahlplakate der CDU und der Linken in Teltow und Werder zur Landratswahl sind betroffen, wie die Kreisverbände bestätigten.

Noch häufiger sind aber unzählige Ortseingangs- und Ortsausgangsschilder mit rechten Hetz-Parolen versehen worden. Allein in den Landkreisen Prignitz und Ostprignitz-Ruppin sind am Morgen mindestens 60 Schilder festgestellt worden, die in der Nacht überklebt worden sind. Hinzu kommen Ortsschilder in Potsdam, in Brandenburg/Havel, im Havelland und in Potsdam-Mittelmark, darunter etwa Werder (Havel). Die Polizei geht von fast einhundert Fällen aus.

Die Ortsschilder sind mit verschiedenen fremdenfeindlichen Plakaten überklebt worden. Es gibt zwei Versionen. Einmal ist dort zu lesen: „Bitte flüchten sie weiter. Es gibt hier nichts zu wohnen. Refugees not welcome“. Auf dem anderen Plakat steht auf Englisch: „Refugees not welcome. Bring your Families home. Destination Africa“.

Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz der Polizei in den Direktionen West und Nord, aber auch die Staatsanwaltschaften Neuruppin und Potsdam sind eingeschaltet worden. Zwar geht die Polizei von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus, doch die Behörden sehen bei den Hetz-Sprüchen bislang keinen Verdacht auf eine politische Straftat. Es handle sich nach bisheriger Einschätzung um eine Ordnungswidrigkeit. Die örtlichen Ordnungsämter seien eingeschaltet und „um zeitnahe Entfernung“ gebeten worden, sagte ein Polizeisprecher.

Bei den überklebten Wahlplakaten in Potsdam-Mittelmark dürfte es sich allerdings um eine Straftat handeln, nämlich um Sachbeschädigung. Der SPD-Kreisverband hat am Freitagmorgen die Polizei eingeschaltet und Strafanzeige gestellt. Die mit den Hetz-Parolen überklebten Großplakate der SPD standen in Stahnsdorf, Teltow, Werder (Havel) und Beelitz. Werders Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) verurteilte die Hetz-Aktion. „Werder ist Ort der Vielfalt. Wir treten ein für Toleranz und Demokratie. Wer sachlich über die Asylpolitik diskutieren möchte, dem stehen andere Möglichkeiten zur Verfügung als unser Stadtbild zu verschandeln“, sagte sie den PNN.

Wer die konzentrierte Propagandaaktion gegen Flüchtlinge und Parteien geplant und umgesetzt hat, ist noch unklar, ebenso ob zwischen den Klebeaktionen auf Ortsschildern und Wahlplakaten ein Zusammenhang besteht. Die Polizei sieht aber einen klaren rechten Hintergrund. Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden handelt es sich um „rechte Allerweltsparolen“, die Plakate ließen sich beim Szeneversand in größerer Stückzahl beziehen. Wichtiger Anhaltspunkt für die Ermittler: Die Täter haben einen enormen logistischen Aufwand betrieben und sind gut organisiert.

Zumindest einen konkreten Verdacht prüfen die Ermittler deshalb. Anlass für die Hetz-Aktion könnte die Verurteilung eines 16-jährigen Asylbewerbers aus Afghanistan sein. Der war am Dienstag vom Amtsgericht Perleberg wegen Kindesmissbrauchs in drei Fällen zur Ableistung von 100 gemeinnützigen Arbeitsstunden verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Jugendliche Ende Januar im Prignitz-Dorf Glöwen zwei Kinder im „niederschwelligen Bereich des Straftatbestands“ sexuell missbrauchte.

Der Fall hatte seit Jahresbeginn politische Wellen im Land geschlagen. Rechtsextremisten hatten mehrfach versucht, die Vorwürfe gegen den 16-Jährigen für sich politisch auszuschlachten. Es hatte mehrere Neonazi-Aufmärsche in Glöwen gegeben, auch gegen das Urteil selbst machten die „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ und die „Freien Kräfte Prignitz“ mobil. Eng verbandelt zu diesen beiden ist eine Neonazi-Gruppe aus Ketzin und dem Potsdamer Ortsteil Fahrland, die seit Monaten gegen eine „Asylhütte“ in Ketzin und Potsdam hetzt und für verschiedene Propaganda-Aktionen am Schloss Sanssouci und an der Glienicker Brücke verantwortlich ist. Von den neuen Hetz-Plakaten in West-Brandenburg verbreiteten die Gruppen Fotos bei Facebook. Die wollen sie angeblich von ihnen „unbekannten Aktivisten“ erhalten haben.Alexander Fröhlich, Eva Schmid

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