Darmkeime: Meldepflicht verletzt
Das Berliner Herzzentrum gibt erst jetzt weitere Fälle von Belastungen mit Darmkeimen zu.
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Berlin - Der verstorbene Säugling hat sich wahrscheinlich erst im Berliner Herzzentrum mit dem Darmkeim infiziert. Das Neugeborene sei vor der Verlegung vom Campus Virchow der Charité in das Herzzentrum keimfrei gewesen, sagte die Leiterin des Gesundheitsamtes Mitte, Anke Elvers-Schreiber, am Freitag. Das habe eine Blutuntersuchung ergeben. Das Herzzentrum wollte sich mit Verweis auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht zu den Vorwürfen äußern.
Laut Gesundheitsamt, das zugleich Aufsichtsbehörde ist, hat das Herzzentrum erst am 24. Oktober vier Infektionsfälle und einen Fall von Besiedlung mit Darmkeimen gemeldet, die schon ab Mitte September aufgetreten seien. Damit habe neben der Charité auch das Herzzentrum gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen. Der Bezirk Mitte will später über Bußgeldzahlungen entscheiden.
Die Herkunft der Keime im Herzzentrum wird von sogenannten Ausbruchteams ermittelt. Nicht auszuschließen sei, dass es einen weiteren Infektionsherd gebe, sagte Elvers-Schreiber. Da die im Herzzentrum gefundenen Keime mit denen in der Charité genetisch übereinstimmen, ist aber wahrscheinlicher, dass die Infektionen aus einer einzigen Quelle stammen. Die ersten Infektionen in der Charité seien bereits im Juli aufgetreten. Die Staatsanwaltschaft prüft weiter, ob das bereits bestattete Neugeborene für eine Obduktion exhumiert werden soll.
Der Ablauf der Ereignisse im Fall des verstorbenen Säuglings stellt sich laut Gesundheitsamt Mitte anders dar als bisher bekannt: Der Säugling sei in der Charité positiv auf den Serratia-Keim getestet worden – anders als von der Charité bisher dargestellt. Daraufhin wurde das Neugeborene mit Antibiotika behandelt. Vor der Einweisung ins Herzzentrum sei ein weiterer Bluttest genommen worden. Bei dessen Auswertung wurde der Keim nicht mehr nachgewiesen. Die Auswertung dauert fünf bis sechs Tage, nach Informationen dieser Zeitung wurde das Neugeborene aber schon vier Tage nach dem Bluttest ins Herzzentrum verlegt, denn es hatte einen schweren Herzfehler und musste notoperiert werden.
Am 2. Oktober wurde operiert, am 4. Oktober hatte das Kind Fieber, daraufhin wurde es erneut auf Keimbefall getestet. Am 5. Oktober starb das Kind. Erst am 10. Oktober habe das Testergebnis vorgelegen. Demnach war das Kind mit dem Darmkeim infiziert.
Herzzentrum und Charité müssten jetzt täglich dem Gesundheitsamt über neue Erkenntnisse berichten, hieß es. Im Bezirksamt wurde ein Krisenstab gebildet. Unterdessen musste am Freitag in der Charité ein schwer krankes Frühgeborenes, das mit den Serratien-Keimen besiedelt ist, wegen eines schweren angeborenen Herzfehlers operiert werden. Die Operation nahm ein Team des Herzzentrums vor. Infolge des Herzfehlers war die unterentwickelte Lunge stark mit Flüssigkeit gefüllt und konnte nicht genug Sauerstoff aufnehmen, sagt Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité. Um dem Kind den Transport zu ersparen, wurde der Eingriff direkt auf der neonatologischen Intensivstation des Universitätsklinikums durchgeführt.
Das Kind kam mit einem Geburtsgewicht von 850 Gramm zur Welt. Es ist eines von insgesamt 15 Kindern der Charité-Frühchenstation, die beim jüngsten Serratien-Ausbruch mit den Keimen besiedelt waren. Ingo Bach/Thomas Loy
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