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In Erklärungsnot. Polizeipräsident Klaus Kandt (links) und Innensenator Frank Henkel – hier auf einem Archivfoto – provozierten am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses scharfe Kritik der Opposition.

© Imago/Stefan Zeitz

Brandenburg: Militanter Ex-Neonazi soll Berliner V-Mann sein

Thüringer war wegen Sprengstoffanschlag verurteilt. Heftiger Krach im Abgeordnetenhaus

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Berlin - Berlin hat einen neuen V-Mann- Skandal mit Auswirkungen auch auf Brandenburg. Am Montag wurde im Berliner Abgeordnetenhaus publik, dass der ehemalige militante Neonazi Nick Greger aus Thüringen offensichtlich eine „VP“ (Vertrauensperson) des Berliner Landeskriminalamts (LKA) ist. Die Thüringer Linkspartei machte zudem öffentlich, dass zwei Beamte des Berliner Landeskriminalamts nach Thüringen gereist waren, um Greger zum Schweigen über den Brandenburger V-Mann „Piatto“ im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages aufzufordern. Das hat Greger in einem Interview des rechtspopulistischen Magazins „Compact“ gesagt, das als Video am 4. Dezember bei Youtube veröffentlicht wurde.

Greger war im Jahr 2000 in Berlin verurteilt worden, weil er zusammen mit Carsten S. alias „Piatto“ einen Sprengstoffanschlag auf politische Gegner vorbereitet hatte. Piatto war im direkten Umfeld des Neonazi-Terrortrios Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) tätig und lieferte Hinweise zum Untertauchen der NSU, die von den Behörden bekanntlich nicht in ihrer Tragweite erkannt worden waren. Greger wäre als LKA-Spitzel dichter am NSU dran gewesen als die „VP 562“, über die im vergangenen Jahr monatelang gestritten worden war. Die „VP 562“ hatte im Jahr 2002 Informationen über die Terrorgruppe geliefert, die das LKA aber nicht weitergab.

In dem Video behauptet Greger, die LKA-Beamten seien eigens zu ihm nach Thüringen gereist und hätten ihm versichert, Akten mit Verweisen auf Piatto oder ihn selbst „so gut es ging“ geschwärzt zu haben, um eine Vorladung in den NSU-Untersuchungsausschuss zu verhindern. „Wenn das alles stimmt, ist es ein Skandal“, sagte die grüne Abgeordnete Clara Herrmann.

Greger ist eine der bizarrsten Figuren in der rechten Szene. So saß er in Haft, weil er einem dunkelhäutigen Menschen ein Ohr abgerissen hatte. 2003 flüchtete Greger nach Südafrika, kehrte 2005 nach Deutschland zurück und stieg mit dem Aussteigerprojekt „Exit“ nach eigenen Angaben aus der Szene aus. Danach soll er sich in einem Tempelritterorden engagiert und den militärischen Kampf gegen vermeintliche Islamisten propagiert haben, heißt es in dem Dossier der thüringischen Linkspartei weiter. Sogar beim norwegischen Attentäter Anders Breivik habe er für seinen islamfeindlichen Orden geworben. Die Thüringer Linkspartei hat der Landesregierung jetzt eine detaillierte Anfrage gestellt, welche Erkenntnisse in Thüringen über den ehemaligen Berliner und dessen Arbeit als V-Mann vorlägen.

So weit ist die Berliner Politik noch nicht. Die neuen Erkenntnisse über Greger führten am Montag jedoch zu einer lautstarken Debatte im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Selbst Innensenator Frank Henkel (CDU) wurde laut („charakterloser Oppositionspolitiker“), Henkel und der grüne Innenexperte Benedikt Lux schrien sich längere Zeit an.

Polizeipräsident Klaus Kandt bestätigte den Abgeordneten, dass LKA-Beamte in Thüringen bei der V-Person waren. Was dort besprochen worden sei, wisse er nicht. Weitere Angaben zu dem Fall wollten Henkel und Kandt nicht machen. „Es gab keine Absicht, die Arbeit des Ausschusses zu behindern“, sagte Kandt. Die Opposition verlangte Informationen zu dem ehemaligen Neonazi. Henkel schwieg und verwies auf Vertraulichkeit: „Sie wollen einfach nicht verstehen, dass das Thema Vertrauensschutz eine hohe juristische Hürde ist.“ Bekanntlich wird V-Leuten zugesichert, nie ihre Identität preiszugeben, weil nur so Kriminelle oder Extremisten zur Zusammenarbeit geworben werden können.

Am Donnerstag wollen sich Mitglieder des Ausschusses nun im sogenannten Geheimschutzraum beim Innensenator treffen, um vertrauliche Akten zu dem Thema einzusehen. Polizeipräsident Kandt sagte dieser Zeitung nach der Sitzung „Wir kennen die Dinge, dürfen nur nicht darüber reden.“ Nach seiner Einschätzung hat der Fall eine „geringere Dimension“ als der Streit um den V-Mann 562 vor einem Jahr. Es müsse auch nicht jedes Wort in dem Video stimmen, meinte der Polizeipräsident. Jörn Hasselmann

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