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Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin: Minister Gutdünken

Peinlich für Umweltminister Jörg Vogelsänger: Das Landesarbeitsgericht hebt die Ablösung von Martin Flade als Chef des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin auf. Der will nun zurück.

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Potsdam - Brandenburgs Agrar- und Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) versucht seit seinem Amtsantritt im Herbst 2014, den Einfluss des Naturschutzes im Land zurückzudrängen. So wurde der langjährige Präsident des Landesumweltamtes Matthias Freude versetzt, der Nachhaltigkeitsbeirat wurde aufgelöst. Doch mit einer Personalie hat Vogelsänger nun Schiffbruch erlitten, weil der Betroffene sich trotz aller Risiken wehrte. Es geht um einen der wichtigsten Naturschutzposten im Land.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg verkündete am Dienstag in Berlin sein Urteil: Demnach war die unter Vogelsänger im Jahr 2015 erfolgte Ablösung und Versetzung von Martin Flade, langjähriger Chef des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin, willkürlich – und damit unwirksam. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Das höchste Arbeitsgericht der Region kam damit zum gleichen Ergebnis wie in der ersten Instanz bereits das Arbeitsgericht Eberswalde, wogegen das Land in Berufung gegangen war.

Flade sagte den PNN, er sei sehr froh über das Urteil. Er wolle nun auf seinen früheren Job zurückkehren, „aus Verantwortung für das Biosphärenreservat und die Region“. Dabei handelt es sich mit seinen 129 161 Hektar um eins der größten Schutzgebiete Deutschlands, das mit 240 oft glasklaren Seen, Tausenden Mooren und Buchenwäldern Lebensraum für seltene Tier und Pflanzen wie dem Schreiadler bietet und zum Unesco-Welterbe gehört.

Der heute 58-jährige Flade, zuvor viele Jahre Referatsleiter im Umweltministerium für Großschutzgebiete und Naturparke, hat das Biosphärenreservat seit 2010 geleitet. Schon damals bekam er den Job erst nach einem Rechtsstreit, den er gewann: Das Ministerium – Minister war der heutige Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) – hatte den Posten ursprünglich mit einer Forstbeamtin besetzt, was Naturschutzverbände als „Personalpolitik nach Gutsherrenart“ geißelten, was dann vom Arbeitsgericht „wegen eklatanter Verfahrensfehler“ gekippt wurde. Im Ministerium war Flade damals in Ungnade gefallen, weil er eine Affäre um Hunderte gefällte uralte Eichen in einem Totalreservat nicht im Sande verlaufen lassen wollte.

Doch in der Amtszeit Flades kam es auch zu weiteren Konflikten, etwa mit Agrarunternehmen der Region. Das war 2015 eskaliert, als sich das Kuratorium der Stiftung – ein Beratungsgremium aus Vertretern der Region – in einem Schreiben an Vogelsänger über Flade beschwerte. Man warf ihm darin etwa vor, nur Öko-Landwirtschaft zuzulassen oder Investitionen wie die Erweiterung der Hemme-Milchfabrik zu erschweren. Daraufhin war Flade, der als unbequem gilt und schon vorher angeeckt war, kurzerhand abgelöst und auf eine andere Stelle versetzt worden. Und zwar ohne Prüfung und Auseinandersetzung, ob die Vorwürfe überhaupt stimmen. Auslöser der Versetzung war allein der Beschwerdebrief des Kuratoriums, die „Außenwirkung“, das „gestörte Vertrauen“ zum Kuratorium, so die Begründung.

Dem Landesarbeitsgericht – wie auch zuvor dem Arbeitsgericht Eberswalde – reichte das nicht, die Begründung war zu dünn. Zwar gebe es ein Direktionsrecht, Flade habe kein Anrecht auf die Stellung, hieß es. Doch die Entscheidungsgründe seien nicht sorgfältig abgewogen worden, hieß es. Auch im Verfahren seien vom Land Brandenburg „keine Tatsachen vorgetragen worden, dass der Kläger irgendetwas falsch gemacht hat“, sagte Richter Hans-Georg Nielsen. Und er fügte hinzu: „In so einer Situation muss sich das Land gegebenenfalls vor seine Arbeitnehmer stellen.“

So hatte in der Verhandlung am Mittwoch – jenseits des Schlagabtauschs der beiden Anwälte – auch Flade selbst argumentiert. Das Land habe doch auch eine Fürsorgepflicht, sagte er. Wenn es Beschwerden von Dritten gebe, müsse sich der Arbeitgeber erst einmal vor seine Bediensteten stellen, gegebenenfalls eine Klärung veranlassen, was zutreffend sei oder eben was nicht. „All diese Dinge haben nicht stattgefunden“, sagte Flade. Wenn ein Beschwerdebrief von außen an eine Behörde ausreiche, damit ein Leiter sofort abgelöst wird, „wenn das rechtens wäre, dann wäre das verheerend für den öffentlichen Dienst, das würde ja Willkür Tür und Tor öffnen“. So sahen es wohl auch die Richter.

Vor dem Urteil wurde in der Verhandlung noch einmal mit harten Bandagen gefochten. „Für den Kläger spricht objektiv nichts außer der Wunsch, sich nicht zu verändern“, erklärte etwa Thomas Kaufmann von der Potsdamer Kanzlei Armedis, der das Land vertrat. Er führte auch noch personalwirtschaftliche Gründe für das Versetzungskarussell mit Flade an: Das Agrar- und Umweltministerium blockiere im Landesumweltamt, wo das Biosphärenreservat angesiedelt ist, die Besetzung von 26 Stellen. Da die Nachfolge Flades eine Beamtin aus dem Ministerium angetreten habe, sei es eine Stelle weniger.

Um Unmut in der Region kommt Flade nicht herum. In einem weiteren Schreiben hatte ihn das Kuratorium im Juli aufgefordert, die Wiedereinsetzung als Leiter nicht weiter zu betreiben. Mit einer Rückkehr würde es „erhebliche Verwerfungen für die Region und das Biosphärenreservat“ geben, hieß es. Er will Brücken bauen. Er wolle auf seine Kritiker zugehen, sagte er den PNN. „Das muss geklärt werden. “ Auf der anderen Seite wies er darauf hin, dass das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin vor großen Herausforderungen steht. 2022 gebe es eine Evaluation. Es werde überprüft, ob man die Voraussetzung für den Unesco-Status erfülle. „Das ist kein Selbstläufer“, warnte Flade. „Sonst laufen wir Gefahr, den Unesco-Status zu verlieren.“Thorsten Metzner

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