Brandenburg: Minister Jung hält an „Bombodrom“ fest
Bundesaußenminister Steinmeier kritisierte Entscheidung und sprach sich für touristische Entwicklung aus
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Wittstock/Potsdam – Das Bundesverteidigungsministerium will am umstrittenen Bombenabwurfplatz in Wittstock im Nordwesten Brandenburgs festhalten. Diese überraschende Ankündigung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), gegen die jüngste Gerichtsniederlage zu den Plänen in Berufung zu gehen, sorgt jetzt für Streit in der Großen Koalition in Berlin und in Brandenburg über Parteigrenzen hinweg für Unverständnis. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kritisierte am Freitag gegenüber den PNN, dass mit der Entscheidung von Jung die nunmehr seit 15 Jahren geführte Auseinandersetzung weitergehe. „Ich bedaure, dass es nicht die letzte Entscheidung in dieser Sache ist“, sagte Steinmeier. Er machte keinen Hehl daraus, dass er nach der jüngsten Entscheidung des Potsdamer Verwaltungsgerichtes, das eine Betriebserlaubnis für das Projekt ablehnte, eine andere Entscheidung des Bundesverteidigungsministeriums erwartet hatte. „Ich hätte mir gewünscht, dass diese Gerichtsentscheidung die Voraussetzung dafür schafft, dass die wirtschaftliche wie auch die touristische Entwicklung dieser Region schnellere Fortschritte machen kann“.
Zuvor hatte Jung in einem Interview angekündigt, gegen die Ablehnung der Betriebserlaubnis für den geplanten Luft-Boden-Schießplatz „Bombodrom“ durch das Potsdamer Verwaltungsgericht in Berufung zu gehen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums begründete dies gegenüber dieser Zeitung damit, „dass die Luftwaffe ihren Trainingsbedarf auf Dauer nicht ohne Wittstock decken kann.“ In der Brandenburger Politik wird diese Ankündigung sowohl von den Regierungsparteien SPD und CDU als auch von der PDS-Opposition scharf kritisiert. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) bedauerte, dass das Bundesverteidigungsministerium auch nach 23 verlorenen Gerichtsverfahren in 15 Jahren weiter an dem Projekt festhalten will. „Das jüngste Gerichtsurteil wäre die Chance für einen geordneten Rückzug in Anstand gewesen“, sagte Platzeck dieser Zeitung. „Nun werden die Menschen in dieser Region weiter auf die Folter gespannt.“ Zuvor hatte auch CDU-Vizeregierungschef und Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns vergeblich an den CDU-Verteidigungsminister appelliert, das Projekt zu stoppen.
CDU-Generalsekretär Rolf Hilke sagte, den Menschen in der Region seien weitere Jahre der Ungewissheit nicht zuzumuten. PDS-Landeschef Thomas Nord warf Jung „Arroganz der Macht vor“ und erinnerte an das juristisch fahrlässige Herangehen der Bundeswehr. Jetzt sei Kanzlerin Angela Merkel gefragt, einzugreifen.
Überrascht reagierte die Bürgerinitiative „Freie Heide“, die seit Anfang der 90er Jahre gegen die Weiterführung des früheren russischen Bombenabwurfplatzes kämpft. „Wir hatten damit gerechnet, dass die Bundeswehr nach dem Urteil des Potsdamer Verwaltungsgerichtes den geordneten Rückzug antritt“, sagte Benedikt Schirge, der Sprecher der Bürgerinitiative, die seit genau 15 Jahren den Widerstand gegen das sogenannte Bombodrom organisiert. „Aber offensichtlich scheut die Bundeswehr keine erneute Niederlage.“ Man mache es sich im Ministerium zu leicht, wenn man nur auf die Notwendigkeit eines Bombenabwurfplatzes poche und alle Gegenargumente außer Acht lasse, sagte Schirge. „Wir machen in unserem Kampf auf jeden Fall weiter.“ Schon auf der für heute im Anrainerdorf Gadow geplanten Geburtstagsfeier der Initiative würden die nächsten Schritte beraten. Es sei verwunderlich, dass Minister Jung die politischen Willensbekundungen der Landesregierungen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gegen den Truppenübungsplatz ignoriere. „Aber dann feiern wir eben vor Gericht den nächsten Erfolg“. Die Luftwaffe will den früheren sowjetischen Truppenübungsplatz für 1700 Einsätze pro Jahr nutzen. Dabei sollen das 12 000 große Übungsgelände sowie umliegende Gemeinden teilweise in einer Höhe von nur 150 Meter überflogen werden. Jetzt muss das Oberverwaltungsgericht für Berlin und Brandenburg über diesen Fall entscheiden.
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